Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zur Beerdigung Hamburg 17. Juni 2011

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17. Juni 2011 - Hamburg, Friedhof Olsdorf

1. Die Macht des Todes

  • "Der Tod hat keine Macht mehr". Im Römerbrief sagt Paulus das von Jesus. Es gilt jetzt auch für Tina: "Der Tod hat keine Macht mehr" über sie.
  • Aber ihr Vater und ihre Mutter, ihre Schwester und ihr Freund und die vielen, die hier sind: Sie spüren schmerzhaft die Macht des Todes, weil Tina nicht mehr unter ihnen lebt. Es hilft, dass Ihr einander beisteht. Es hilft auch, dass der Alltag weiter geht; auch die Arbeit hört nicht auf. Es hilft, aber es macht diesen Tod nicht ungeschehen. So ist es gut, dass wir hier einen Zeit und einen Ort haben für die Trauer und den Schmerz. Es hilft, dass wir in der Kirche einen Ritus haben, wie Sie sich von Tina verabschieden und mit ihr den letzten Weg auf Erden gehen können.
  • Ich kann Ihnen nicht sagen, warum es den Tod gibt. Noch weniger weiß ich, warum es diese seltenen Krankheiten gibt, und ein Mensch mit 32 Jahren sterben musste. Die Medizin ist an ihre Grenzen gekommen. Es sieht so aus, als habe der Tod gewonnen, ich weiß. Aber vielleicht gilt nicht erst seit letztem Sonntag, dass der Tod keine Macht mehr über Tina hat, trotz allem.

2. Die Kraft der Liebe Gottes

  • Denn Paulus weist auf einen ganz anderen Tod hin. Viel schrecklicher als der biologischen Tod wäre es, ohne Liebe zu leben. Paulus nennt das eine Sklaverei: "Sklaven der Sünde" wäre wir als Menschen, wenn wir zwar medizinisch gesund sind, aber innerlich krank, ohne Liebe zu Gott und zu den Menschen. Der Hass ist die tödlichste Krankheit.
  • Von Tina habe ich ganz anderes gehört. Ich kannte sie selbst nur vom Sehen. Wenig haben wir mit einander gesprochen, aber sie hat immer wieder mit uns im Kleinen Michel den Sonntag gefeiert. Die Menschen, mit denen ich in den letzten Tagen gesprochen habe, kannten sie als eine junge Frau, die viel Liebe in sich trug.
    Auch sie wird nicht fehlerfrei gewesen sein; aber darauf kommt es nicht an. Sie hat, solange sie es gesundheitlich konnte, Kranke gepflegt. Das ist Liebe. Sie hatte einen Freund und ihre Familie. Das ist Liebe. Die sie kannten, werden hier vieles anfügen können.
  • "Der Tod hat keine Macht mehr über ihn", der Satz gilt für Menschen, die aus der Liebe leben. Paulus ist davon überzeugt: Die Verbindung zu Gott, unsere Sehnsucht und unsere Gemeinschaft mit ihm, kann durch keinen biologischen Tod besiegt werden. Was unseren Augen als Tod erscheint, ist der Übergang in die Vollendung all der Sehnsucht und Liebe, die wir hier schon in uns tragen.

3. Um mit Christus zu leben

  • Am 30. März 2005, mit 26 Jahren, wurde Tina im Kleinen Michel getauft. Viele Monate hatte sie sich in einer Gruppe darauf vorbereitet. Vielleicht hat sie damals schon geahnt, wie gefährdet ihr Leben ist. Den Glauben an Christus hatte sie von ihrer Mutter gelernt. Jetzt wollte sie als Patentante dies weiter geben und hoffte, eines Tages in der Kirche zu heiraten. Sie hat sich taufen lassen, weil sie darauf vertraute: In der Taufe werde ich mit Christus verbunden. Ob sie wohl den Text kannte, den wir gelesen haben: "Wisst ihr denn nicht, dass wir alle, die wir auf Christus Jesus getauft wurden, auf seinen Tod getauft worden sind?"
  • Durch die Taufe wird in einem heiligen Zeichen deutlich, dass wir sterben wollen für den Hass, für die Lieblosigkeit und für die Sünde. Wir wollen leben für Gott. Die Taufe nimmt uns hinein in die Gemeinschaft mit Jesus Christus. Sie umhüllt uns wie der Taufschal, den Tina vor sechs Jahren getragen hat. Sie ist uns Licht, wie die Kerze, die zu ihrer Taufe entzündet worden war. Diese innigste Verbindung mit Gott kann uns niemand nehmen; niemand konnte und kann sie Tina nehmen, jetzt erst recht nicht, wo sie Christus ganz nahe ist: "Sind wir nun mit Christus gestorben, so glauben wir, dass wir auch mit ihm leben werden."
  • Der Leitspruch für Tinas Taufe kam aus dem Psalm 91: "Gott befiehlt seinen Engeln, dich zu behüten auf all deinen Wegen." Wir hätten uns sehr gewünscht, dass Gottes Engel Tina auch vor der tödlichen Krankheit bewahrt hätte. Vielleicht ist Gottes Friede aber doch größer als unsere Vernunft. Gottes Engel hat Tina 32 Jahre auf ihrem Weg begleitet. Jetzt, wo sie nicht mehr hier bei Euch ist, ahnt Ihr vielleicht, wie sehr der Engel immer bei ihr war. Allen, die sie lieben, kann Tina diesen Trost geben: Lasst den Engel mit Euch gehen. Keinen Tag soll es geben, an dem Ihr Gottes Gegenwart nicht erfahrt. Lebt daraus. Dann hat kein Tod mehr Macht über Euch. Gott halte Eure Hoffnung groß - und stärke Eure Liebe.