Predigt zur Beerdigung Hamburg 12. April 2013
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12. April 2013 - Hamburg
1. Engel haben keinen Leib
- Wiltrud ist, so hoffen wir zuversichtlich, jetzt im Himmel. Für Christen heißt das: Sie lebt im
liebenden Angesicht Gottes.
- Aber auch jetzt ist Wiltrud kein Engel, denn Engel haben keinen Leib. Engel haben nie einen
gehabt. Wir Menschen aber haben einen Leib. Zum Leib gehört unsere Geschichte, unser
Werden und Vergehen, unsere Freuden, die Lachfalten, die Schmerzen und unsere Narben. Die
Auferstehung dieses Leibes ist uns durch Jesus Christus verheißen, nicht dass sich dieser Leib
in ein geschichtsloses Geistdasein auflöst. Auch der Auferstandene, der den Jüngern an Ostern
begegnet ist, trug die Wundmale der Kreuzigung.
- So muss jetzt die Lebensgeschichte von Wiltrud nicht umgeschrieben werden. Jeder, der sie
unter den hier Anwesenden kannte, wird ein Stück eigene Geschichte mit ihr haben und ein
eigenes Bild, das ein Teil von ihr ist - ja ist, und nicht nur war, denn mit dieser Geschichte,
diesem Leib, den Fragmenten wie sie das Leben bringt, wird der Mensch von Gott gerufen.
2. Engel zeigen uns das wahre Licht
- Engel sind etwas Faszinierendes. Ich kannte Wiltrud nicht, aber ich bin auf mehrere Hinweise
gestoßen, dass das Thema Engel sie bewegt hat. Vermutlich hat manches Versatzstück aus der
anthroposophischen Theorienwelt sie berührt, und war sie für manches ansprechbar, was in
ihrer eigenen Erfahrung Resonanz gefunden hat: Dass da ein Licht scheint, das auf uns
zukommt, uns Kraft gibt und uns behütet. Menschen, die religiös musikalisch sind, spüren das
sehr deutlich. Oft sprechen sie dann von Engeln.
- Aber Engel sind nur das, was ihr Name angelos bedeutet:
Sie sind Boten. Außer dem, Boten zu
sein, haben sie keine eigene Biographie und Geschichte; sie haben keinen
Leib, wie wir
Menschen. Engel sind Geschöpfe Gottes, geschaffen dazu, Gott als Boten
zu dienen - geschaffen dazu uns Menschen als Boten Gottes zu dienen. So
sind es Engel, die den Gott, der
alles Geschaffene übersteigt, als seine Boten für uns begreifbar machen.
- Deswegen können auch Menschen, obwohl sie keine Engel sein, dennoch anderen Menschen
wie ein Engel sein: Boten des Gottes, der selbst größer ist, als alles, was wir begreifen. Weil
wir Menschen keine Engel sind, sind wir immer nur bruchstückhaft solche Boten. Aber in
manchem, was mir Simon von seiner Mutter erzählt hat, habe ich etwas davon mitklingen
gehört, dass seine Mutter ihm - auch - ein Engel war, der ihm und anderen einen Sinn dafür
mitgegeben hat, dass unser Leben sich nicht in sich selbst erschöpft und nicht sich selbst
genügt, sondern uns von einem Gott aufgegeben ist, der uns zugleich mit seiner Liebe und
Barmherzigkeit trägt.
3. In Christus unter uns
- Und doch ist Gott, um uns Menschen nahe zu sein, nicht ein Engel
geworden, sondern Mensch.
Immer wieder scheint das schwer begreiflich. Die Esoterik lebt davon,
dass es viel logischer
scheint, dass irgendwie reines Licht und geistige Engel uns zu Gott
führen. Aber das stimmt
nicht. Wenn wir sehen wollen, wie Gott wirklich ist, dann müssen wir auf
den schauen, in dem
er Mensch geworden ist: dem Sohn eines Zimmermanns, der zu der Armen und
Ausgestoßenen
gegangen ist, und der dafür hingerichtet wurde, dass er an der Gegenwart
von Gottes Barmherzigkeit in unserer Menschenwelt festgehalten hat.
- Die Lesung, die wir aus dem Brief des Apostels Paulus gehört haben, ist nur so zu verstehen. Er
schreibt über das, was er auszuhalten hat. Wie Menschen, die eine schwere Krankheit zu tragen
haben, spürt Paulus eine tiefe Sehnsucht nach der wahren Heimat, in der dieser Leib leicht sein
wird. Er sehnt sich nach dieser Heimat im Himmel, weil er dort den weiß, der ihn in diesem
Leben die Kraft gegeben hat, all das zu tragen, was ihm zu tragen aufgegeben war. Paulus
kapituliert nicht vor den Belastungen, im Gegenteil. Hier wie dort ist ihm Christus nahe. Daher
klagt Paulus auch nicht. Er gibt nur Zeugnis von der Liebe, die in ihm brennt.
- Wiltrud hat nicht vielen von ihrer Krankheit erzählt. Sie wird, wie viele, gegen die Krankheit
gekämpft haben. Sie scheint zum Schluss aber - zutiefst christlich - dahin gekommen zu sein,
diese Krankheit anzunehmen, vielleicht gar zu umarmen, um sich nicht von ihr besiegen zu
lassen, sondern durch sie hindurch dem Licht entgegen zu gehen, das sie immer gesucht und
gespürt hat.
Heute hat ihr Sohn eine Kerze aus der Osternacht, dem Fest der Auferstehung des Gekreuzigten
mitgebracht. Dieses Licht leuchte ihr den Weg, auf den sie sich nun begeben hat, Gott entgegen. Amen.