Predigt zur Beerdigung Hamburg 26. April 2013
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26. April 2013 - Hamburg, Friedhof Blankenese
1. Evangelium vom Suchen
- Ich habe Ihnen ein Stück aus dem Johannesevangelium ausgesucht. Die Geschichte einer
Begegnung. Die Geschichte eines Menschen auf der Suche.
Die Bibel und besonders das Johannes-Evangelium sammeln nicht einfach Fakten, sondern
versuchen zu verstehen. Um das Leben eines Menschen zu verstehen, reicht nicht der Blick auf
die Fakten. Das Herz sieht tiefer.
- Ich habe dieses Evangelium von der Begegnung am Jakobsbrunnen ausgewählt, weil Hans ein
Mensch auf der Suche war. Da scheint ein Durst in ihm gewesen zu sein, und er suchte nach
der Quelle. Ich habe ihn selbst erst in den letzten zwei Jahren kennen gelernt und wusste nicht
viel über ihn. Er hat ganz regelmässig mit uns am Kleinen Michel den Gottesdienst gefeiert; an
der Kirchentür haben wir manche kleine Gespräche geführt. Erst nach seinem Tod habe ich
etwas über seinen Lebenslauf erfahren. Ja, er war ein suchender Mensch.
- Als Menschen bleiben wir suchende. Nicht immer gelingt es auf unserer Suche den Respekt vor
anderen Menschen so zu bewahren, dass wir die anderen nicht verletzen. Unser Leben kennt
Brüche, kennt Wege und Umwege, kennt auch Verletzungen, die wir einander zu fügen. Das
gilt nicht nur für die Jugend, sondern kann auch für das Alter gelten.
2. Lebendiges Wasser
- Die Frau am Jakobsbrunnen kommt um die Mittagszeit. Offensichtlich geht sie anderen aus
dem Weg, denn diese Zeit ist ungewöhnlich. Vielleicht wird sie von anderen gemieden,
vielleicht meidet sie andere; wir wissen es nicht und müssen es nicht wissen. Warum sollten
wir hier urteilen wollen?
- Zur Mittagszeit trifft sie auf Jesus der auf der Durchreise um einen Schluck Wasser bittet.
Daraus entwickelt sich ein Gespräch über das, was unseren Durst wirklich ausmacht, und das,
was unseren Durst wirklich löschen kann.
- Die Frau spricht von der Mühsal und Routine des täglichen Wasser-Holens. Jesus spricht von
dem Wasser, das innerlich frisch und lebendig macht. Dieses Wasser zeichnet sich dadurch aus,
dass wir es weiter geben können. "Wer von dem Wasser trinkt, das ich
ihm geben werde, wird
niemals mehr Durst haben; vielmehr wird das Wasser, das ich ihm gebe, in
ihm zur sprudelnden Quelle werden, deren Wasser ewiges Leben schenkt."
3. Dem Herrn begegnen
- So, wie Hans erlebt habe, hatte er etwas von diesem Wasser gefunden; er konnte diese
Lebendigkeit weiter geben, die er in der Begegnung mit Christus erfahren hatte. Deswegen war
ihm der Gottesdienstbesuch jeden Sonntag sehr wertvoll; als er Ostern nicht mehr zur Kirche
kommen konnte, schickte er mir eine Mail. "Mit der Hilfe des Herrn schaffe ich es", schrieb er
mir.
- Was das Evangelium von der Begegnung am Jakobsbrunnen aber so wertvoll macht ist, dass
hier auch der ganz natürliche Durst vorkommt - und dass wir Menschen eben nicht zwischen
dem Natürlichen und Übernatürlichen so ganz klar trennen. Hans hat in der katholischen Kirche
seinen Ort gefunden, "dem Herrn" Jesus Christus zu begegnen. Sie war sein Jakobsbrunnen, an
dem manches Bruchstück blieb, und er dennoch Wesentliches gefunden hat.
- Von daher ist meine Hoffnung für ihn, dass er jetzt das lebendige Wasser in Fülle genießen
darf. Unsere christliche Hoffnung ist, dass jenseits des Todes nicht ein Nirwana liegt, in dem
wir uns auflösen, sondern dass unsere Lebensgeschichte und unsere Persönlichkeit dort dem
lebendigen Gott begegnet und seine Barmherzigkeit erfahren darf, mit dem, was uns auf erden
ausgemacht hat. Der tägliche Weg zum Brunnen ist für Hans zu Ende. Die Fülle und Erfüllung
hat begonnen. Amen.