Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum Fest der Unschuldigen Kinder 2015

Zurück zur Übersicht von: 28. Dezember: Unschuld. Kinder

28. Dezember 2015 - Haus Betlehem, Hamburg, Kapelle

1. Kollateralschaden

  • "Kollateralschaden" wurde 1999 in Deutschland zum Unwort des Jahres erklärt. Es wird von Militärs gebraucht, um den "Begleitschaden" von militärischen Aktionen zu beschreiben - ungewollter, aber letztlich in Kauf genommener Schaden.
  • Berühmt-berüchtigt ist der Satz der Außenministerin Madeleine Albright, die 1996 auf die Frage, ob 500.000 tote Kinder nicht ein zu hoher Preis wäre, um mit einem Embargo den - ohne Frage gefährlichen und massenmordenden - Diktator Saddam Hussein in die Knie zu zwingen, antworte: "We think the Price is worth it". Kollateralschaden eben.
  • Da ist das hehre und hohe Ziel - und damit rechtfertigt man die Opfer, Kinder an erster Stelle. Niemand von denen würde mit Absicht diese Kinder ermorden. Als Kollateralschaden wird es hingenommen.

2. Herodes

  • König Herodes hatte sicher kein hehres oder hohes Ziel; ihm ging es nur um den eigenen Machterhalt. Für seine Brutalität war er berühmt.
  • Das Lukasevangelium macht ihn für einen Massenmord an Säuglingen verantwortlich. Das Ereignis mag in der Weise nie stattgefunden haben. Die Schilderung des Lukas trifft dennoch eine traurige Wahrheit und platziert sie dort, wo wir sie am liebsten verdrängen würden: direkt neben das Weihnachtsfest.
  • Die Wahrheit des Evangeliums ist die Wahrheit des Kollateralschadens an Kindern beim Kampf um den Machterhalt. Dass dies manchen Mächtigen der Welt keine Probleme bereitet, wird im Evangelium schonungslos ausgesprochen.

3. Unschuldige Kinder

  • Das Fest des heutigen Tages macht aus Kollateralschaden-Kindern Heilige, Zeugen für die Menschwerdung Gottes. Das Fest macht damit das Gegenteil von dem, was Herodes wollte. Ihm ging es nur um den Machterhalt. Was mit den Kindern geschieht war ihm egal. Das heutige Fest blickt ganz auf die Kinder, ihre Würde und ihre Bedeutung in den Augen Gottes.
  • Das ist ein Thema, das nicht erledigt ist. Die halbe Million im Embargo an Krankheiten und Unterernährung im Irak gestorbener Kinder ist nur ein extremes Beispiel. Wir kennen aber genau so aus dem innersten Bereich der Kirche, dass um das hohe Ziel, das Ansehen der Kirche nicht zu gefährden, Priester, die Kinder missbraucht haben, nur versetzt und ihre Taten totgeschwiegen wurden. Dass dadurch mehr und immer mehr Kinder Opfer dieser Priester wurden, war letztlich Kollateralschaden, über den die Verantwortlichen nicht länger nachgedacht haben. Die Verantwortung trugen (und tragen!) Bischöfe, bis hinauf zu einem Papst Johannes Paul; über dessen großem Pontifikat, bei all dem was die Menschen ihm verdanken, auch der Schatten liegt, dass er eine Atmosphäre gefördert hat, in der der Schutz der Institution Kirche vor dem Schutz der Kirche der Kinder ging.
  • Vielleicht haben die Verantwortlichen in der Institution Kirche, aber auch wir, die Kirche der Getauften, etwas gelernt. An Klarheit von Seiten der Päpste fehlt es heute nicht mehr. Aber das heutige Fest lädt uns ein, in allen Bereichen und immer neu den Blick für die Würde des Kindes zu suchen und zu bewahren gegenüber all den Interessen, die es sonst so geben mag und für die schnell einmal Kollateralschäden in Kauf genommen werden. Für Gott jedoch zählt jeder Mensch, Kinder ins Besondere. Amen.