Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum 11. Sonntag im Lesejahr A 2020 (Vier Lesungen)

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1. Zaungast oder Beteiligter

  • Drei Lesungen aus der Bibel für den heutigen Sonntag, vier mit dem Psalm zum Zwischengesang. Man kann das distanziert hören und intellektuell analysieren. Doch Bedeutung bekommen gerade die Bibelstellen heute erst dann, wenn ich mich entscheide: Wendet sich Gottes Wort hier konkret an mich, richtet es sich an andere (etwa gezielt an die Mächtigen, die Armen etc.) oder richtet sich die Bibel mit dieser oder jener Lesung irgendwie an alle?
  • Konkret: Zähle ich mich zu dem "Volk", das sich mit denen verbunden weiß, zu denen Gott nach dem Buch Exodus sagt:  "Ihr habt gesehen, .... wie ich euch auf Adlerflügeln getragen und zu mir gebracht habe. Jetzt aber, wenn ihr auf meine Stimme hört und meinen Bund haltet, werdet ihr unter allen Völkern mein besonderes Eigentum sein." Nur wenn ich für mich entschieden bin, dass ich da dazugehören will, ist der Rest etwas, das mich überhaupt betrifft. 
  • Paulus im Römerbrief macht deutlich, dass ich durch Jesus Christus dazugehören kann, durch die Taufe hineingeboren in dieses Volk, zu dem Christus gesandt ist, "den verlorenen Schafen des Hauses Israel". Bin ich, wenn er das sagt, interessierter Zaungast oder Betroffener, weil ich dazu gehöre? „Freut euch, wir sind Gottes Volk!“, hieß es im Psalm.

2. Kein Vorzug

  • Ich von Gott auserwählt, wir sein heiliges Volk? – Da setzt sofort ein christlicher Bescheidenheitsreflex ein der betont, nein, wir seien sicher nichts Besonderes.
  • Das stimmt, wir sind nicht andere Menschen als andere, schon gar nicht bessere. Im Gegenteil, wenn Jesus meint, er sei gekommen Sünder zu berufen, nicht Gerechte, sollten statistisch hier in der Kirche mehr Sünder sitzen als in der Normalbevölkerung.
  • Das Besondere ist aber nichts, das auf unserer Leistung basiert (eher schon auf dem Gegenteil). Das meint Paulus, wenn er sagt: Schon, dass einer sein Leben gibt für Gerechte, ist unwahrscheinlich. Um wie viel mehr ist es unwahrscheinlich, dass Christus sein Leben gibt, dass Ungerechte aus allen Völkern hinzukommen zum Volk Gottes. Das ist so unwahrscheinlich – oder so unberechenbar – wie die Liebe.

3. Frucht der Ernte

  • Wenn ich mit den Lesungen aus der Bibel gemeint bin – wenn wir gemeint sind, Volk Gottes zu sein – dann liest sich die Lesung anders. So wie es einen großen Unterschied macht, ob ich einen Brief in einem Buch lese, oder ob ein Brief an mich gerichtet ist. Es macht den Unterschied: „Jesus hat Mitleid mit den Menschen, denn sie sind wie Schafe die keinen Hirten haben“. Ist das eine Zeitanalyse über die orientierungslose Zeit und die Jugend von heute?
    Oder sieht Jesus uns, Gottes Volk, und merkt: Die haben keine Ahnung, keine Orientierung, was es für sie bedeutet, „Volk Gottes zu sein“. Sie behelfen sich noch eine Weile damit, alles so zu machen, wie es immer war. Was früher falsch war, könne doch heute nicht ganz falsch sein. – Unter Umständen doch.
  • Die Antwort Jesu aus dem heutigen Evangelium ist: Es ist Gottes Acker, über den wir hier reden. Gott hat den Weinberg, den Acker angelegt. Und Gott sucht Arbeiter für seine Ernte, denn er vertraut darauf: Was Gott gesät hat, kann Frucht tragen! Deswegen doch fordert Jesus uns auf, darum zu beten, dass Gott die Ernte einbringt. Da ist so viel Gutes, dass Gott bei jedem einzelnen von uns wirkt – bei manchen ja schon im Laufe eines langen Lebens! Das soll bei der Ernte sichtbar werden. Dazu sind wir berufen.
  • Das heilt dann auch. Es heilt nicht, auf die Krankheiten fixiert zu sein. Es heilt, Fest in der Gemeinschaft mit Gott zu stehen, in seinem Volk. Wenn Jesus dazu Apostel und Priester, Ordensleute und viele kirchliche Dienst beruft, dann hat das ein Ziel: Dass das Gute aus der Vielfalt der Gaben im Volk Gottes „geerntet“ werden kann: Frucht sein kann für andere und für diese Welt. Dazu sollen wir Volk Gottes sein – nichts Besonderes, und doch so unendlich wertvoll für diese Welt. Amen.