Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum 14. Sonntag im Lesejahr B 2006 (Markus)

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9. Juli 2006 - Universitätsgottesdienst, St. Ignatius Frankfurt

1. Ein Bericht

  • Der Besuch Jesu in Nazareth mag einige Tage gedauert haben. Es ist kein Heimaturlaub bei der Familie, sondern Jesus kommt, das zu tun, was er in vielen Städten Galiläas getan hat: Predigen, Heilen, Gottes Reich gegenwärtig erfahrbar zu machen. Das Markusevangelium schildert diese Tage in einem sehr knappen Bericht. Es lohnt sich daher hinzuschauen, was Markus so wichtig ist, dass er es festhält.
  • Mir fallen vor allem die Jünger auf. Es wird ausdrücklich erwähnt, dass sie dabei sind. Dann aber werden sie in dem Abschnitt nicht mehr erwähnt. Ich verstehe das als Hinweis darauf, dass wir ihre Perspektive einnehmen sollten, wenn wir das Evangelium verstehen wollen.
  • Diese Jünger hatten gesehen, was Jesus in vielen Orten gewirkt hat. Sie werden gespannt sein, nun Jesu Heimatdorf zu sehn, wo er als Bauhandwerker gelebt hatte. Sie hatten erlebt, wie er überall predigte und an den Menschen, die an ihn glaubten, Heilung bewirkte. Jetzt erleben sie: Dort, wo man ihn am besten zu kennen meint, dort in Nazareth glaubt man ihm nicht. Nicht einmal Jesus glaubt man!

2. Zeuge - Dogma - Sendung

  • Die Jünger sind Zeugen dessen, was sie erleben. Liest man das Evangelium von vorn, fällt auf, dass diese Jünger (noch) nicht besonders gläubig sind. Sie sind aber Zeugen des Glaubens anderer und was der Glaube im Leben anderer bewirkt. Ein wenig natürlich glauben auch sie. Aber zum Bekenntnis reicht es noch nicht. Jesus nimmt sie zunächst nur als Lehrlinge mit, die sehen sollen, was sie später bezeugen können.
  • Deswegen richten sich die Fragen der Leute aus Nazareth letztlich an die Jünger. "Woher hat er das alles? Was ist das für eine Weisheit, die ihm gegeben ist? Und was sind das für Wunder, die durch ihn geschehen?" Aus Jesu Herkunft erklärt sich das alles nicht. Für die Leute aus Nazareth ist das genug - genug um Jesus abzulehnen. Aber was machen wir? Uns will das Markusevangelium auf die Antwort stoßen. "Woher hat er das alles?"
    Jesus hat es von Gott. Gott hat ein Faktum gesetzt, das sich nicht aus der Zimmermannslehre und nicht aus der Sippe Jesu herleiten lässt. Gott setzt ein neues Faktum, unableitbar.
  • Das griechische Wort dogma bedeutet nicht nur "Glaubenssatz", sondern auch "Verfügung" oder "Beschluss". Bevor es geglaubt wird, wird es gesetzt - und zwar von einem anderen. In diesem Sinne ist daher das einzige Dogma, der Beschluss Gottes, Mensch zu werden. Es ist Faktum Gottes. Für den Menschen folgt daraus die Aufforderung zur Antwort. Für die Jünger Jesu folgt daraus die Sendung. Gleich im anschließenden Abschnitt bei Markus wird Jesus seine Jünger aussenden. Nachdem sie sein eigenes Scheitern in Nazareth mitbekommen haben, schickt er sie in die umliegenden Ortschaften zu predigen und zu heilen.

3. Christ sein

  • Wenn wir das Evangelium aus der Perspektive der Jünger sehen, lernen wir, was es heißt Christ zu sein. Und das beginnt mit der Erfahrung, dass Gott wirkt. Mehr noch als an sich selbst, sehen das die Jünger an anderen. Und doch kann es im Letzten nur die eigene Erfahrung und das eigene Urteil sein, mich diesem Glauben zu öffnen und anzuschließen.
  • Diesen Glaube kann ich mir nicht selbst aussuchen. Er bezieht sich auf das Dogma, von Gott gesetztes Faktum. Auf die Frage "Woher hat er das alles?" gebe ich als Christ die Antwort: von Gott, der unter uns wirkt. Dies ist die Struktur christlichen Glaubens: mich dem Dogma Gottes öffnen und mein Leben danach ausrichten.
    Das bedeutet auch und gerade die Mühe, mich damit auseinander zu setzen, wie dieses Dogma Gottes in Menschenwort ausbuchstabiert wurde und wird. Die Geschichte des Glaubens ist dieses Ringen um das Dogma. Es wird weiter gehen, solang menschliches Denken und menschliche Sprache durch die Geschichte geformt werden.
  • Aber an meinem Ort, in meiner Zeit und in meinem Leben muss ich Antwort geben, ob ich mich senden lasse. Das Sakrament der Firmung macht dabei für mich die Erfahrung der ersten Jünger greifbar, dass uns Gott durch die Taufe auch seinen Geist verleiht. Ich erfahre, dass er uns vertraut und uns sendet. Amen.