Zurück zur Übersicht von: 20. Sonntag Lesejahr C
19. August 2007 - Universitätsgottesdienst St. Ignatius, Frankfurt
1. Harmonie und Frieden
Harmonie ist ein kostbares Gut. Die meisten erstreben es und hüten es und bewahren es nach Kräften. Wer nicht von Harmonie sprechen will, wird doch eines wollen: geliebt werden und auch lieben, mit den Mitmenschen gut auskommen und in Frieden leben. Gerade als Christen und im Kontext christlicher Gemeinden wird dieses Grundgefühl ausgeprägt erfahren. Von dort her ist es aber auch ein allgemeines Gefühl moderner Gesellschaften: dass es gut sei, miteinander in Frieden zu leben.
Nur wenige Menschen und wenige historische Situationen suchen statt dessen den Krieg und den Streit. Eine Begeisterung wie beim Ausbruch des Ersten Weltkrieges ist so schwer nachvollziehbar wie mancher Leute (scheinbare) Sucht, Krach anzufangen wo es nur geht.
Erklärbar ist diese Streitsucht dennoch. Denn wenn man genauer hinsieht, ist zumeist dahinter ein starkes Gruppengefühl. Im Bewusstsein eigener Überlegenheit und Stärke wird die Entscheidung im Kampf gesucht. Der Streit steht nur scheinbar um seiner selbst willen da. Dahinter steht seine Wirkung auf das Innenverhältnis der Gruppe oder der Nation. Es wäre interessant zu untersuchen, ob das nur für Jugendbanden und nationalistisch aufgeheizte Völker gilt, oder ob wir nicht auch im "normalen Leben" Konflikte ganz gerne sehen, dort wo sie den Zusammenhalt der Gruppe bestärkt, der wir uns zugehörig fühlen. Der Sport ist ja auch ein wenig Ventil für dieses Bedürfnis.
2. Jesus und die Spaltung
Vor diesem Hintergrund bitte ich Sie auf das Evangelium zu schauen. Es gilt vielen als unerträglich. "Meint ihr, ich sei gekommen, um Frieden auf die Erde zu bringen? Nein, sage ich euch, nicht Frieden, sondern Spaltung." Das Matthäusevangelium überliefert dieses Jesuswort verschärft: nicht "Spaltung" steht dort, sondern "Schwert". (10,34) Es würde mich wundern, wenn viele dieses Wort unter den Top-10 ihrer Jesus-Zitate führen. Es passt nicht zur sonst doch zentralen Friedensbotschaft Jesu. Gerade in einem Zeitalter, in dem so viel vom Dialog der Religionen abhängt, müssen wir uns dem stellen.
Aber auch zur Selbstreflexion ist das Evangelium wichtig. Wer es meditiert, wird merken, was es in einem auslöst: Verunsicherung, Aggression - oder Zustimmung aus Gründen, über die wir uns erst einmal klar werden sollten. Ist es Verunsicherung oder Aggression, könnte es sein, dass Harmonie und "Frieden halten mit jedermann" in uns zu einem so absoluten Wert geworden ist, dass es schwer fällt, den Preis auch nur zu sehen, um dessentwillen der Friede gehalten wird. Ist es Zustimmung, die wir merken, sollten wir sehen, ob uns das Wort von der Spaltung nicht einfach nur deswegen zupass kommt, weil es Konflikte zu legitimieren scheint, die wir aus Gründen führen, die mit dem Evangelium nichts zu tun haben.
Auch das Wort von der Spaltung, die Jesus bringt, steht unter dem Vorzeichen seiner umfassenden Friedensbotschaft. Dazu ist Jesus vom Vater her gekommen. Gott ist Mensch geworden mit einer Sendung. Vom Anfang an des Weges Jesu wird deutlich, dass diese Sendung nicht konfliktfrei verlaufen wird. Die Dämonen ahnen es: Er ist "gekommen, sie ins Verderben zu stürzen" (Lk 4,34). Über die Menschen aber sagt Jesus, dass er "gekommen ist, um zu suchen und zu retten, was verloren ist" (Lk 19,10) und " um die Sünder zur Umkehr zu rufen". Gott ist zu uns gekommen um uns zu rufen und zu sammeln zu einem Volk, das erlöst ist (Lk 1,68) von der Trennung vom Ursprung des Lebens. Wer sich diesem Ruf stellt, riskiert den Konflikt.
3. Frieden
In unserem liturgischen Gebet ist das Thema präsent. Bevor wir den Leib Christi empfangen, in dem wir mit einander als Kirche eins sind, beten wir um den Frieden, lassen wir uns den Frieden Christi zusprechen und geben wir uns einander ein Zeichen dieses Friedens. Das ist nicht so gemeint, dass Friede immer löblich sei. Das ist vielmehr auf dem Hintergrund des heutigen Evangeliums zu verstehen. Der Friede, der Christen als Volk Gottes verbindet, spaltet auch: Wer für den Frieden ist, kann nicht mit jedermann friedlich bleiben. Er wird aufstehen müssen gegen das Unrecht und er wird den Zorn derer erfahren, denen die Botschaft von der Gerechtigkeit ein Dorn um Auge ist (worauf die erste Lesung aus dem Buch Jeremia verweist).
Das in der Messe zumeist verwendete Gebet zum Friedensgruß drückt aus, dass dieser Friede gefährdet ist durch die eigene Selbstgerechtigkeit: "Herr Jesus Christus, schau nicht auf unsere Sünden, sondern auf den Glauben deiner Kirche und schenke ihr nach deinem Willen Einheit und Frieden." Im Wissen um unsere eigenen Motive rufen wir Christus an als den Herrn und bitten ihn, nicht Maß zu nehmen an unserem eigenen Anteil an Schuld, sondern auf den Glauben zu sehen, mit dem er selbst uns Maßstab ist. Wie Christus in seiner Sendung gehorsam dem Vater ist, wird von Christen die Nachfolge gefordert.
Nur in der Verbundenheit mit Christus, der als Gerechter die Gerechtigkeit Gottes ist, wird unser Friedensgruß sinnvoll. Ohne Christus verliert er seine Richtung. Er wird entweder zum Ausdruck bedenklicher Harmoniesucht oder zum selbstgefälligen Chauvinismus einer sich einigelnden Kirchengemeinde. Das Wort Jesus von dem, was Gottes Kommen auf dieser Welt bewirkt - Spaltung - und das Ziel dieser Sendung - Menschen zum Frieden zu führen - steht also nicht im Gegensatz zueinander. Vielmehr ist genau dieses Feuer Zeichen der richtenden und rettenden Gegenwart Gottes, der auch wir uns stellen müssen. Amen.