Predigt zum 23. Sonntag im Lesejahr C 2001 (Lukas)
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9. September 2001 - St. Aposteln Frankfurt a.M.-Sachsenhausen
Zielsatz: "Gott allein genügt" kann nur vom Kreuz her
verstanden werden.
1.
- Viele Menschen begleiten Jesus. Das ist für ihn der Anlass,
Illusionen zu zerstören. Ein Jünger zu sein bedeutet nicht
einfach, sich von Jesus begeistern zu lassen oder von Jesus beeindruckt
zu sein und dann halt zu sagen: Herr, Herr, ich
bin dabei!
Ein Jünger Jesu zu sein bedeutet, sich von Gott so erfassen zu lassen,
dass alles andere wertlos wird. Solo Dios, basta -
Gott allein genügt.
- Jesus will ganz offensichtlich diejenigen abschrecken - um
nicht zu sagen: aussieben -, die diesen Anspruch nicht an sich
heranlassen. Wer sich nicht auf diese Bedingungen einlässt, sagt er, der
ist wie jemand, der anfängt einen Turm zu bauen
und dann nicht einmal das erste Stockwerk zu Ende bekommt, zum Spott der
Nachbarn. Oder wie ein Feldherr, der meint
großspurig losziehen zu können, um zu spät zu merken, dass er keine
Strategie und keine Kraft hat, das durchzuziehen
(- die Weltmacht USA hat dies seinerzeit in Somalia vorgeführt; die
Erinnerung daran beschleicht mich derzeit bei dem
halbherzigen Engagement der Europäer auf dem Balkan).
- Solche Jünger taugen nicht für das was Jesus will. Sie
wollen wie ein Salzstein sein, mit dem man die Suppe würzt. Aber
sie sind ausgelaugt und fade, taugen nicht einmal mehr um den Misthaufen
zu düngen. "Wer Ohren hat zu hören, der
höre.".
2.
- Wahrlich ein Programm, das abschreckt. "Wer nicht sein
Kreuz trägt und mir nachfolgt, der kann nicht mein Jünger
sein." Wer wollte denn unter dieser Bedingung Jünger sein. Ist es
verantwortbar, alles gering zu achten, um dieses
fragwürdigen Programms willen?
- Als Beispiel steht mir der Hl. Bruder Klaus von der Flüe vor
Augen. Der hat seine Frau mit zehn Kindern sitzen lassen,
weil Gott ihn berufen hat, ein paar Kilometer weiter in der Einöde eines
Alpentals als Eremit zu leben. "Wenn jemand zu
mir kommt und nicht Vater und Mutter, Frau und Kinder, Brüder und
Schwester, ja sogar sein eigenes Leben gering
achtet, dann kann er nicht mein Jünger sein." Bruder Klaus hat dies
offensichtlich beachtet. Aber um welchen Preis? Ja,
um welchen Preis! Gerade bei Bruder Klaus kann man sehen, dass der Ruf
Jesu nicht im luftleeren Raum steht, sondern
im Blick auf eine Welt ausgerufen wird, die zutiefst geschädigt ist.
Jesus ist nicht der grundsätzliche Feind der
Wohnzimmeridylle. Er kann sich nur nicht mit der Idylle abfinden, die
die Kälte draußen vor der Tür ignoriert - und
vielleicht auch die Kälte herinnen.
Zu Zeiten des Bruder Klaus war es nämlich durchaus normal, dass
Familienväter von den Ihren weggerissen wurden.
Allerdings nicht von Gott und nicht für das heiligmäßige Leben eines
Einsiedlers, sondern von den Herren, die über ihren
Leib und ihr Leben verfügen konnten und sie in den Krieg schickten. Es
herrschte Krieg und unzählige Familien verloren
ihren Vater und ihren Bruder. In dieser Situation sucht sich Gott seinen
Krieger aus, ruft ihn weg von seiner Familie, aber
stattet ihn mit so ganz anderen Waffen aus als die Kriegsherren der
Berge. So wird Klaus zum Friedensstifter der
Schweiz hat sein Versöhnungswerk jahrhundertelang Bestand gehabt (wenn
man mal davon absieht, dass die Schweizer
seit dem bis heute mit Vorliebe an den Kriegen anderer ihr Geld
verdienen).
- Es kann also doch sein eigenes Recht haben, wenn Gott
Menschen beruft, alles gering zu achten, Jesu Jünger zu werden
und den Gesetzmäßigkeiten der Welt das Gesetz Christi im zeugnishaften
Leben entgegenzuhalten. Familie zu verlassen,
auf Besitz zu verzichten, das Kreuz auf sich zu nehmen sind denn auch in
der Kirche ein Lebensprogramm, dem nicht
wenige folgen.
3.
- Aber soll das alles sein. Siebt Jesus die Menschen aus, die
ihm nachfolgen wollen, bis nur noch Nonnen und Mönche
übrigbleiben?
Wir sollten das Evangelium noch einmal lesen, von seinem gewichtigsten
Wort her. Auf Familie, Besitz, ein eigenes
Lebensprogramm zu verzichten, das ist das eine. Das Radikalste aber
steckt in dem Wort: "Wenn jemand zu mir kommt
und nicht sogar sein eigenes Leben gering achtet, dann kann er
nicht mein Jünger sein." Sein eigenes Leben gering
achten ist etwas, das uns nicht nur unendlich schwer fällt, sondern auch
so offensichtlich widersinnig zu sein scheint, dass
wir uns kaum dazu bequemen können, überhaupt nur daran zu decken, ob wir
eventuell unter solchen Bedingungen Jesu
Jünger sein möchten.
- Um zu sehen, warum diese Berufung Jesu für jeden Menschen
gemeint ist, müssen wir ganz in das Zentrum des Glaubens
gehen. Denn für jeden Menschen gilt, dass wir nicht nur von Gott
geschaffen sind, sondern ohne Gott überhaupt nichts
ist. Wenn Gott nicht der Schaffende ist, dann gibt es ganz unvorstellbar
nichts. Daher ist es ganz und gar oberflächlich,
die Dinge dieser Welt, ja selbst uns Menschen einfach nur so zu nehmen,
als ob es Gott nicht gäbe. Ein Auto kann ich
benutzen und von der Fabrik absehen, die es hergestellt hat. Gott hat
uns aber nicht aus Walzblech hergestellt, sondern
aus dem Nichts liebend überhaupt erst ins Dasein gerufen. Wenn Jesus uns
daher auffordert, alles gering zu achten, sogar
uns selbst, dann ist dies die Einladung, die Welt überhaupt erst neu zu
entdecken: als eine Welt, nicht in sich selbst
verschlossen und verkommen, sondern aus Gott heraus lebend.
- Der Wahlspruch der Heiligen Theresa von Avila war: Um nichts
muss ich fürchten, denn Gott allein genügt: solo Dios
basta. Wenn wir so alles gering achten, um alles in seinem
Ursprung, in Gott zu achten und zu finden, dann hat Gott in
uns begonnen, seiner Liebe einen Grund zu bereiten. Das ist Nachfolge:
Gott allein genügt. Amen.