Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum 3. Sonntag der Osterzeit Lesejahr A 2005 (Lukas)

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10. April 2005 - Semestereröffnung an der Fachhochschule, Frankfurt

1. Der Anfang

  • Wer vom Krimi zuerst das Ende liest, ist selbst dran schuld. Er verdirbt sich die Spannung. Diese Erfahrung sollten wir beim Lesen der Bibel nicht vergessen. Den viele Berichte der Bibel sind sorgfältig dramaturgisch aufgebaut: die Botschaft liegt eben nicht nur in der Pointe, sondern in der ganzen Dramaturgie. Nicht nur das Wohin ist wichtig, sondern auch das Woher und Wie.
  • Woher? Die beiden Jünger kamen aus Jerusalem. Vermutlich stammen sie nicht von dort. Sie waren mit Jesus dort hin gekommen. Es war ein großes, langes Fest, das sie gefeiert hatten. Zunächst konnten Sie mit Jesus die Erfolge in Galiläa erleben. Es hat ihnen selbst auch Sicherheit und Bestätigung gegeben, wie ihr Herr und Meister machtvoll und selbstbewusst aufgetreten war. Es war wie ein großes Fest. Daher kann ihre jetzige Stimmung am ehesten beschrieben werden als Kater. Das Fest ist vorbei. Das Adrenalin weicht aus den Adern. Schlappe Müdigkeit macht sich breit.
  • Interessanter Weise haben die beiden von der Auferstehung gehört. Aber es berührt sie nicht. Die Information, das Grab sei leer, der Herr sei einigen aus ihrem Kreis erschienen, hat für sie keine Relevanz. Selbst wenn sie gewohnheitsmäßig wie spätere Christen das Glaubensbekenntnis von vorn bis hinten beten würden, selbst wenn sie von Kind auf gelernt hätten, dass Jesus am dritten Tag von den Toten aufersteht, selbst dann würden sie Jesus nicht erkennen - sogar wenn er leibhaftig mit ihnen unterwegs wäre.

2. Auf dem Weg

  • Die Wohltat Jesus besteht darin, dass er fragt. Jesus packt nicht die Sektflaschen aus, um die trübe Stimmung zu vertreiben und das nächste Fest zu feiern. Er verkündet ihnen nicht die Grundlosigkeit aller Trauer. Er beginnt damit, dass er fragt: "Was sind das für Dinge, über die ihr auf eurem Weg miteinander redet?" Was beschäftigt euch? Worüber redet ihr miteinander? Wie viel besser wäre es, wenn wir (und wir Prediger zumal) etwas mehr so fragen könnten.
  • Fragen wir daher die beiden, was sie beschäftigt. - "Jesus aus Nazaret. Er war ein Prophet, mächtig in Wort und Tat vor Gott und dem ganzen Volk. Doch sie haben ihn ans Kreuz schlagen lassen. Wir aber hatten gehofft, dass er der sei, der Israel erlösen werde." Sie vermissen den dynamischen Jesus, der allzeit die Initiative in der Hand behielt, machtvoll war in dem was er sagte; und der tat, wovon er sprach. Das hat ihnen imponiert. Das war die Gemeinschaft, zu der sie gehören wollten. So einer kann alles zum Besseren wenden. Endlich einer der was sagt. Endlich einer der was tut.
  • Die Jünger haben die Halbheiten satt. Ständige Kompromisse ermüden sie. Sachzwänge und Notwendigkeiten sind für sie nur vorgeschriebene Gründe mit denen die da oben sich an der Macht halten und ihr eigenes Süppchen kochen. Ihr Ideal ist das eines selbst bestimmten Lebens, in dem kein anderer ihnen Vorschriften macht. Genau das haben sie in der Gemeinschaft mit Jesus gespürt. Das haben sie aus seinen Reden herausgehört. Dafür war Jesus gut. Jetzt ist nur noch Katerstimmung und alles egal. Eine Illusion ärmer gehen sie heim, zum Dienst nach Vorschrift.

3. Nicht zu schnell ans Ziel

  • Und wieder reagiert Jesus anders. Er lässt nicht etwa den schäbigen Mantel fallen, um darunter in Macht und Herrlichkeit zu erscheinen. Er erklärt ihnen auch nicht, dass sie alles vergessen sollen, was sie bisher gehört und gesehen hätten, denn jetzt sei er ja auferstanden und man solle daher immerzu Halleluja rufen. So als sei Fröhlichkeit jetzt die erste Christenpflicht.
  • Vielmehr nimmt Jesus sich Zeit. Den langen Weg geht er mit ihnen. Er geht mit ihnen die Heilige Schrift durch, um ihnen zu zeigen, dass das, was geschehen ist, in einem Zusammenhang steht. "Und er legte ihnen dar, ausgehend von Mose und allen Propheten, was in der gesamten Schrift über ihn geschrieben steht." Dieser Weg des Nachdenkens und Zurückdenkens ist unverzichtbar. Ohne ihn können wir nur von Rausch zu Rausch oder von Depression zu Depression fallen - oder beides einander abwechseln lassen. Nachzudenken, weiterzudenken, auf dem Weg und im Gespräch zu bleiben hingegen ist eine Mühe, die lohnt.
  • Der Weg, den Jesus führt, ist nicht leicht. "Musste nicht der Messias all das erleiden?". Denkt doch nur einen Moment weiter, wie das ausgesehen hätte, wenn euer "Mächtig-in-Wort-und-Tat-Messias" das Volk erlöst hätte. Vielleicht hätte er Israel zu Macht und Herrlichkeit geführt. Aber um welchen Preis. Welcher Mensch hätte sich dadurch verändert? Was würde besser, wenn nicht mehr die anderen, sondern ihr selbst an der Macht seid?
    Es brauchte einen, der zeigt, dass Auferstehung nicht um den Preis neuer Opfer, sondern nur in liebender Hingabe geschenkt werden kann. Dass Gemeinschaft nicht in der Schar um den neuen starken Mann und Führer zu finden ist, sondern nur dort, wo einer uns um den Tisch versammelt, an dem er uns das Brot bricht. Wir hätten das alles selber wissen können, denn Jesus lebte ganz aus der Tradition der Bibel - Mose und der Propheten. Aber es brauchte wohl den Einen, der es getan hat, damit uns die Augen aufgehen. Hoffentlich. Amen.