Predigt 4. Adventssonntag Lesejahr B 2002 (Lukas)
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22. Dezember 2002 - Universitätsgottesdienst, St. Ignatius Frankfurt
1. Gabriel
- Hat bei Ihnen schon einmal ein Engel vorgesprochen, gar ein
Erzengel? Auszuschließen ist das nicht. Maria jedenfalls hat nicht mit
diesem Besuch gerechnet.
Daran lässt die Schrift keinen Zweifel. Wann sie verstanden hat, dass es
ein Engel war, den sie erfahren hat? Was das Lukasevangelium in einer
verdichteten
Erzählung mit vielen biblischen Anklängen bietet, ist wohl der Versuch,
das Erlebnis der Maria in Worte und Bilder zu fassen. Erfahrungen dieser
Art deuten
sich oft erst durch die Geschichte, die folgt. Erst im langsamen
Verstehen fügt sich das Erfahrene in die Erkenntnis, dass es ein Bote
Gottes war.
- Bote ist es, was das Wort Engel, angelos im Griechischen,
bedeutet. Engel sind, was ihr Name besagt: Boten. Der Engel des
Evangeliums trägt darüber
hinaus einen Namen: Gabriel. Der hebräische Name bedeutet "Stärke
Gottes" oder "Gott hat sich stark gezeigt". Die Kunst der Jahrhunderte
hat versucht, den
Engel Gabriel zu malen, als Jüngling mit sanften Zügen. Aber im
Evangelium steht nur der Name. Dies ist ernst zu nehmen. Denn Engel
sind, was ihre
Aufgabe ist. Das macht ihre Aufgabe aus. Sie sind keine Postboten,
sondern lebendige Boten, die zu uns das sprechen, was sie sind. Gabriel
ist die Erfahrung
des Boten, der erfahren lässt: Gott hat sich stark gezeigt.
- Maria erschrickt, wie ausdrücklich vermerkt wird. Aber nicht der
Engel ist der Grund ihres Erschreckens, nicht der Bote der Gottes Stärke
erfahren lässt. Es
ist die Botschaft des Engels: "Sei gegrüßt, du Begnadete, der Herr ist mit dir." Die junge Frau aus Israel ist auch darin Urbild der Kirche, dass sie erschrickt
über die Gegenwart Gottes in ihrer kleinen Kammer, und dass sie überlegt, " was dieser Gruß zu bedeuten habe".
2. Gott baut sich ein Haus
- Der frisch gesalbte König David in der Herrlichkeit seines
baufrischen Palastes meinte Gott ein gleichwertiges Haus bauen zu
müssen. Er hätte besser das
Erschreckens Mariens geteilt. Gott lässt den David anfragen: "Du willst mir ein Haus bauen, damit ich darin wohne?"
Welches Haus wollten wir Gott bauen,
um ihn darin festzulegen. Gott selbst baut sich ein Haus unter den
Menschen und gibt uns damit Heimat und Geborgenheit auf unserem Weg.
Nicht wir
müssen die Initiative ergreifen. Gott wird initiativ.
- Der Gruß des Engels wäre grässlich missverstanden, wollten wir aus dem "mit dir" einen Besitzstand ableiten. "Der Herr ist mit dir",
diese Zusage enthält
nichts von der Verheißung, dass Gott sich mit uns in eine Trutzburg
zurückziehen wolle, um dort angebetet zu werden. Gott will mit uns
gehen, ein Zelt auf
unserem Weg.
- Der Name des Engels Gabriel verweist auf Gottes Stärke. Gott hat
sich stark gezeigt, indem er nicht dem König David gestattete, ihm ein
Haus zu bauen,
sondern in die Kammer eines jungen Mädchens den Boten seiner Stärke
sandte, um ihr das Heil zu verheißen.
3. Die Kraft Gottes
- Dort, in der Kammer, zeigt sich die Stärke Gottes als sanfte
Macht. Sie erfüllt den Raum. Kein Feuer, keine Gewalt, aber dennoch
unverkennbar Gottes
Gegenwart. Maria hat dies gespürt und sie hat die Anrede erfahren, in
der ihr Gott zugesagt hat, mit ihr zu sein.
- Der Inhalt der Botschaft ist unerhört. Das Weihnachtsfest in drei
Tagen ist dieser wunderbaren Botschaft gewidmet. Es ist die Botschaft,
dass das Haus, das
Gott sich unter den Menschen gebaut hat, ein Mensch sein wird, geboren
von einer Frau. So unerhört ist diese Botschaft wie die Verheißung an
die schon alte
Frau Elisabeth, dass sie die Erwartung aller durchbrechen wird und
fruchtbar sein wird.
- Was damals in der Kammer in Nazareth geschah, ist einmalig. Es ist
der Wendepunkt der Geschichte. Aber vielleicht ist seit dem Maria für
uns eine Hilfe zu
verstehen und zu sehen, wo uns ein Engel besucht hat, um uns mit Gottes
sanfter Macht vertraut zu machen. Maria hat dem Evangelisten Lukas
verstehen
gelehrt, was der Beginn der Menschwerdung Gottes war. Sie kann jedem
Menschen Lehrmeisterin sein. Denn Gott will auch unter uns Mensch
werden.
Amen.