Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum 4. Sonntag im Lesejahr B 2009 (1. Korintherbrief)

Zurück zur Übersicht von: 4. Sonntag Lesejahr B

1. Februar 2009 - Hochschulgottesdienst, St. Antonius Frankfurt

1. Die Heiligkeit der Ehe

Eine briefliche Anfrage: Lieber Paulus, Bruder in Christus, dessen Gnade mit dir sei! Wie gerne würden wir dich hier bei uns in Korinth sehen, denn viele Fragen werden bei uns heiß diskutiert und Du könntest uns Klarheit geben. Du weißt, dass die Gemeinde in unserer Hafenstadt besonders bunt zusammengewürfelt ist. So mancher vor allem der Brüder, hat ein wildes Leben geführt, bevor er ein neues Leben in Christus begonnen hat; sie sind nach Korinth aus aller Welt gekommen, um hier Geld und Glück zu machen. Dann aber hat der Heilige Geist ihr Leben von Grund auf verändert - und jetzt bringen sie mit ihrer Glaubensbegeisterung unsere Gemeinde durcheinander. Denn obwohl sie verheiratet sind, fühlen sie sich im Heiligen Geist zur Ehelosigkeit hingezogen. Die Liebe zu Christus erfüllt sie so sehr, dass sie ganz darin aufgehen und auf eine sexuelle Beziehung zu ihren Frauen verzichten wollen. In der Gemeinde aber entsteht der Eindruck, dass damit die Ehe insgesamt abgewertet wird, zumal diese Christen sich auf dich berufen, weil ja auch du zölibatär lebst. Sie sagen "Es ist gut für den Mann, keine Frau zu berühren." Was rätst du uns?
  • Liebe Gemeinde in Korinth. Wie ich über die Ehe denke, habe ich an vielen Stellen geschrieben. Sie ist von Gott geheiligt, denn Gott hat Mann und Frau gleich geschaffen und für einander geschaffen. Deswegen konnten schon die Propheten den Bund Gottes mit dem Volk Israel als einen Ehebund beschreiben. Da nun Gott in Jesus Christus in unserem Fleisch erschienen ist - um wie viel mehr ist die innige Liebe ein Bild dafür, wie wir in Christus, unserem Herrn, sein dürfen; ja selbst die Vereinigung im Fleische und die Freuden der Ehe sind das beste Bild dafür, dass wir uns freuen dürfen, dass wir mit Christus verbunden sind. Die Ehe also ist heilig.
  • Dennoch schenkt Gott einzelnen Christen die Berufung ehelos zu leben. Ihr wisst doch von dem Arzt in eurer Gemeinde, der so sehr berufen ist, den Kranken zu dienen, dass er ganz für die Kranken da sein will. So ist es auch mit denen, die in besonderer Weise vom Heiligen Geist erfüllt sind. Hier geht es nicht um eine allgemeine Beurteilung, ob die Ehe gut oder schlecht sei; wie könnte es! Hier geht es um eine besondere Berufung inmitten der Kirche.
  • Der Satz "Es ist gut für den Mann, keine Frau zu berühren." kann sich also nur auf diese besondere Berufung beziehen. In eurer Anfrage ging es konkret um verheiratete Männer. Diesen, die sich berufen fühlen ihre Frau nicht zu berühren, muss ich sagen: Ihr sollt euch gut überlegen, ob ihr das, was ihr euch vorgenommen habt, auch leben könnt. Die Ehe ist der Ort, wo guter Sex mit Liebe und Treue verbunden ist; bringt euch nicht in die Gefahr der Unzucht. Und bedenkt, dass es nicht nur um euch allein geht. Ihr habt die Ehe versprochen und damit gehört euer Leib nicht nur euch, sondern auch eurer Frau. Das gilt auch umgekehrt, denn Mann und Frau sind gleich. Nur im "gegenseitigen Einverständnis", wenn es stimmig ist und zusammen stimmt, dürfen Verheiratete sich einander entziehen. Überlegt daher, ob ihr das nicht besser zeitlich begrenzt für die Zeiten, in denen ihr euch besonders dem Gebet hingeben wollt. Dann kommt wieder zusammen. Denn es kann eine Versuchung des Satans sein, sich aus frommen Gründen den Verpflichtungen der Partner in der Ehe zu entziehen.

2. Ehelosigkeit von Verlobten

Eine briefliche Anfrage: Nun aber, lieber Paulus, gibt es einige in der Gemeinde, die zwar verlobt sind, aber jetzt doch ehelos leben wollen. Das bringt reichlich Not und Schererei, denn nach geltendem Recht ist doch die Verlobung ein Eheversprechen, und die Familie der Braut bringt den Verlobten sehr in Bedrängnis. Was sollen wir ihnen sagen?
  • Liebe Gemeinde in Korinth. Zunächst einmal muss ich sagen, dass ich hier nur eine Meinung äußern kann. Jesus hat zwar die Ehelosigkeit um des Himmelsreiches willen ausdrücklich als mögliche Berufung gut geheißen; ihr wisst, dass das bei Juden wie Heiden als Skandal gilt; Menschen, die Christus nicht kennen, können sich nicht vorstellen, dass der Heilige Geist so sehr trägt und Freude gibt, dass Menschen freiwillig nach menschlichen Maßstäben unfruchtbar bleiben wollen. Jesus hat sich aber nicht dazu geäußert, wie das in dem konkreten Fall ist, wenn schon Verlobte um des Himmelsreiches willen dann doch nicht heiraten wollen.
  • Ich muss aber sagen, dass ich aus eigener Erfahrung den Wunsch verstehen kann. Auch ich erlebe die Bedrängnis dieser Welt häufig so stark, dass die Erfahrung der Freiheit, die Christus schenkt, darunter zu ersticken droht. Ich sage aber ausdrücklich: Es ist keine Sünde, wenn sich einer zur Ehelosigkeit berufen fühlt, aber um seiner Verpflichtungen seiner Verlobten gegenüber dennoch heiratet. "Freilich werden solche Leute irdischen Nöten nicht entgehen", sie werden immer wieder zwischen ihrer geistlichen Sehnsucht und ihren Verpflichtungen, ihrer Familie gegenüber, hin und her gerissen sein. Andererseits sind auch Ehelose nicht aus der Welt; auch sie kennen die Zerrissenheit zwischen Welt und Evangelium.
  • "Ich aber möchte euch schonen" (so wörtlich 1 Kor 7,28; die Einheitsübersetzung interpretiert m.E. falsch, "ich aber möchte sie euch ersparen."). Ich will euch meine Meinung sagen, die vielleicht nicht nur diesen Verlobten hilfreich ist, sondern auch allen, die verheiratet sind. Denn jeder von uns hat eine Berufung, egal in welchem Beruf er ist. Zumal wenn er oder sie für andere Menschen Verantwortung trägt, wird er spüren, wie es ihn treibt, ganz für diese Menschen da zu sein.
  • Ich sage also euch Verlobten, die ihr überlegt nicht zu heiraten, und allen Christen: Entscheidend ist, dass ihr in dem, was euch auf dieser Welt bewegt, nicht aufgeht. Extrem gesprochen: "Wer eine Frau hat, sich in Zukunft so verhalten, als habe er keine, wer weint, als weine er nicht, wer sich freut, als freue er sich nicht, wer kauft, als würde er nicht Eigentümer, wer sich die Welt zunutze macht, als nutze er sie nicht". Ja, steht zu euren Partnern und zu euren Emotionen. Ja, ihr nehmt teil am Wirtschaftsleben und macht euch Dinge dieser Welt zunutze. Aber geht nicht darin auf, so schön es im Augenblick auch sein mag. "Denn die Gestalt dieser Welt vergeht"! Lasst also in eurem Herzen Raum für den größeren Schatz. Ich will euch nichts miesmachen, ich will euch nur auf die Freiheit hinweisen, zu der ihr alle berufen seid. Bewahrt euch die Unruhe im Herzen, denn die allein führt uns zu dem je größeren Gott.

3. Die Berufung zur Ehelosigkeit

Eine briefliche Anfrage: All diese Vorfälle, lieber Paulus, haben in unserer Gemeinde heftige Diskussionen ausgelöst. Letztlich ist uns klar geworden, dass wir noch nicht verstanden hat, was Jesus meinte, wenn er sagt, dass es Menschen gibt, die sich selbst unfähig gemacht haben zur Ehe "um des Himmelreiches willen". Hat Jesus nicht hinzugefügt: "Wer das erfassen kann, der erfasse es!" (Mt 19,12) Wir sind wohl nicht die ersten, die hier Schwierigkeiten haben!
  • Das erste ist: Geistliche Dinge kann nur erfassen, wer versucht, den Glauben und die Liebe auch zu leben. Jeder muss erst einmal selbst etwas spüren von der Hingabe an die jeweils eigene Aufgabe in der Partnerschaft, in der Familie und im Beruf. Erst wenn ich merke, dass Gottes Heiliger Geist in mir die treibende Kraft ist, für andere da zu sein, erst dann kann ich ahnen, dass es eine Berufung gibt, sogar auf die Ehe oder einen festen Wohnort zu verzichten, um sich dieser Erfahrung ganz hinzugeben.
  • Das zweite ist: Ihr müsst darüber im Gespräch bleiben. Christen, die über ihren Glauben nicht sprechen, werden innerlich verdorren oder, fast schlimmer noch, sie verlieren den Weg. Denn innere Erlebnisse können auch in die Irre führen. Nur wenn wir in der Kirche miteinander im Gespräch bleiben, kann jeder für sich das Korrektiv im anderen finden.
  • Und das dritte ist: Achtet die Verschiedenheit der Berufungen. Es ist nicht die eine besser als die andere. Es ist vielmehr immer das Beste, der je eigenen Berufung zu folgen und die Berufung der anderen zu achten. Denn wir sind als Kirche berufen Christus nachzufolgen. Nur in der Verschiedenheit unser Berufungen sind wir die eine Kirche.

Anmerkung:
Die Predigt verdankt wesentliche Anstöße dem Buch des Neutestamentlers Norbert Baumert: "Frau und Mann bei Paulus. Überwindung eines Mißverständnisses" Würzburg: Echter, 1992.
Baumert fordert eine komplett neue Sicht der Texte und legt mit beeindruckenden Argumenten dar, wie die meisten Übersetzungen einer bestimmten Sicht folgen, die keineswegs zwingend ist und mehr Fragen aufwirft, als sie beantwortet. Die Mehrzahl der Kollegen folgt Baumert allerdings bislang in dieser Radikalität nicht. Daher habe ich mich entschieden, in der Predigt weitestgehend der Einheitsübersetzung zu folgen und zu versuchen, angeregt durch Baumert, die Blickrichtung zu wecheln.