Predigt zum 5. Sonntag der Osterzeit Lesejahr B 2024 (Apostelgeschichte)
Zurück zur Übersicht von: 5. Sonntag der Osterzeit B
28. April 2024 - St. Peter, Köln
1. Reiche Frucht
- Die "reiche Frucht" meint nicht, dass einfach die Jünger anständig leben sollen, dass niemand Anstoß an ihnen nimmt. Das wäre nicht wenig, ist aber hier vorausgesetzt.
- Wenn die Kirche – und besonders auch wir Amtsträger unter den Christen – uns an Gebote und Anstand halten würden, wäre das schon ganz gut. Aber dafür allein hätte es den ganzen Aufwand von Menschwerdung Gottes, Kreuz und Auferstehung nicht gebraucht.
- Doch ganz sicher hat das Evangelium mehr im Sinn. Vielleicht standen Jesus die Früchte vor Augen, die die Botschafter aus dem gelobten Land brachten: Einer allein konnte sie nicht tragen, so voll und schwer waren die Reben und Trauben in jenem Land. Sicher hat Jesus eher daran gedacht, als dass er meinte, die Kirche solle ab und an ein paar getrocknete Rosinen hervorbringen.
2. Alle fürchteten sich
- Der Abschnitt aus der Apostelgeschichte erzählt davon. Da ist einer, der einen Unterschied macht. Er tritt zu oft hinter Paulus zurück: dem großen Verfolger, der zum wichtigsten Verkünder des Glaubens wurde. Das Scharnier jedoch zwischen Saulus und Paulus ist Barnabas: "Alle fürchteten sich vor Saulus, weil sie nicht glaubten, dass er ein Jünger war. Barnabas jedoch nahm sich seiner an und brachte ihn zu den Aposteln."
- Wenn wir uns auch nur ansatzweise in die Geschichte hineindenken, ahnen wir, wie wichtig Barnabas in ihr war. Er ist es, der offenbar nicht nur als erster bereit war, auf Saulus zuzugehen. Er hat alle Erfahrung mit diesem eifernden Fundamentalisten, beiseitegelassen. Er ist auf den, der so viel Unheil über die Christen gebracht hatte, zugegangen und hat ihm geglaubt: Dieser Saulus ist zum Paulus geworden. Da hat Gottes Geist wirklich einen Menschen verwandelt.
- Es sind nur ein paar Wörter im Text, ein kurzer Satz: "Barnabas jedoch nahm sich seiner an und brachte ihn zu den Aposteln." Ich ahne jedoch, dass dahinter eine ganz große Tat steckt. In Barnabas hat die Verbundenheit mit Christus in dem Augenblick Frucht getragen, in dem es galt, nicht nur für sich selbst eine Konversion zu wagen, sondern vor anderen dafür einzutreten. "Barnabas brachte Saulus zu den Aposteln." Wenn es auch nur an ganz wenigen Stellen in der Geschichte des Glaubens so etwas gab, dann reicht das um zu verstehen, was "reiche Frucht" ist: Wenn der Wille zum Frieden Streit überwindet und Rache der Vergebung weicht.
3. In Christus Frieden wagen
- Jesus sagt "Getrennt von mir könnt ihr nichts vollbringen". Dieser Satz ist nicht allgemein gesprochen, sondern denen, die mit ihm im Abendmahlsaal sind. Damit ist der Satz uns hier gesprochen, die wir zur Heiligen Eucharistie versammelt sind. Der Satz urteilt nicht darüber, ob es für Milliarden andere Menschen unmöglich sei, "nichts zu vollbringen". Er ist an uns gesprochen, an Menschen, die sich haben berufen und zusammenrufen lassen.
- Die Verbundenheit oder Trennung von Christus ist nicht äußerlich zu messen. Selbst die, die damals Christus körperlich so nah waren, konnten weit weg sein. Die Verbindung – wie ein Rebzweig im Weinstock – ist ganz offensichtlich eine innere. Es ist nicht Gewohnheit. Vielmehr gibt die Verbundenheit mit Christus die Kraft, der Versuchung zum 'nur Gewöhnlichen' zu widerstehen und etwas zu riskieren.
- Christus hat das Kreuz riskiert, ganz konkret. Für mich ist das Risiko, das Barnabas eingeht, eine anschauliche Konkretion: In Christus sein bedeutet das Risiko des Vertrauens eingehen zu können. Als Barnabas den Saulus in die Mitte der Kirche führte, war das eine Aktion ohne Sicherheitsnetz. Es war nicht leichtsinnig; aber es war mutig. Um des möglichen Friedens willen, hat Barnabas etwas gewagt. Um des Menschen Saulus willen, der sich verrannt hatte, hat Barnabas das Vertrauen gewagt. Das allein ist "reiche Frucht".