Predigt zum 8. Sonntag im Lesejahr C 2001
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25. Februar 2001 - khg Göttingen, Universitätskirche St. Nikola
1. Freundesworte
- Beleidigungen sind das Ende jedes vernünftigen Gesprächs. Wenn
jemand anfängt, mir Schmähworte an den Kopf zu
werfen, sinkt jedenfalls meine Lust, mich noch sachlich zu unterhalten.
Natürlich nehme ich für mich in Anspruch,
selbstkritisch zu sein und Kritik einstecken zu können. Aber bitte:
immer höflich bleiben! Den Ausdruck „Du Heuchler"
würde ich zu den Beschimpfungen zählen, die es mir nicht leicht machen,
weiter zuzuhören. Jesus wird gewusst haben,
welche Wirkung so ein Wort haben kann. Es sind auch andere Ausdrücke
dieser Art von ihm überliefert („Weg von mir,
Satan!" zu Petrus).
- Aber gerade weil es Jesus ist, kann man ja noch einmal nachdenken.
Es ist Evangelium, das uns verkündet wird. Das
griechische Wort bedeutet: Gute Nachricht. Jedes Wort will Gute
Nachricht sein. Jedes Wort will gehört sein wie das
Wort eines guten Freundes, der mein Vertrauen hat. Natürlich bin ich
verwirrt, vielleicht vor den Kopf gestoßen, wenn er
etwas sagt, was so gar nicht in mein Bild von ihm passt. Natürlich muss
ich schlucken, wenn er mir deutliche
Vorhaltungen macht. Aber um der Freundschaft willen werde ich zuhören.
- Wie auch schon bei den beiden anderen Teilen, die wir an den
vergangenen Sonntagen im Evangelium aus der Predigt
Jesu gehört haben, spricht er zu seinen Jüngern. Er spricht ausdrücklich
sie an. Mit den Aposteln ist er vom Berg
gekommen, um uns als seinen Jüngern und seiner Kirche etwas zu sagen und
zu geben, das unser Leben tragen soll. Gute
Nachricht, Evangelium eben. Wenn wir uns die Predigt Jesu sagen lassen,
dann ist das Glauben. Sich etwas sagen lassen
ist nicht dasselbe wie zuhören oder lesen. Sich sagen lassen
heißt, bereits verstanden haben, dass Jesus es ist, der uns das
sagt.
2. Blinde Jünger
- Jesus überfällt uns nicht mit dem „Du Heuchler". Wir müssen hören,
was er uns - als Christen - zunächst sagt. Er beginnt
mit einem Bild: „Kann ein Blinder einen Blinden führen? Werden nicht
beide in eine Grube fallen?" Er spricht uns also
gar nicht alleine an. Jesus spricht von zwei Menschen, die gemeinsam
einen Weg gehen wollen. Er sagt nicht, dass es
schlechte Menschen sind. Er spricht von einer Behinderung, von
Blindheit. Den Zweien ist das Licht genommen, ihr
Leben zu leben. Die Grube ist ihre Gefahr.
- Weiter sagt Jesus „Der Jünger steht nicht über seinem Meister;
jeder aber, der alles gelernt hat, wird wie sein Meister
sein." Die Blindheit ist also nicht unabänderlich; sie kann geheilt
werden. Wenn wir uns einreden, wir seien nicht blind,
wir wüssten alles, dann wären wir in großer Gefahr. Jesus will zu
Jüngern sprechen, Menschen also, die schon den ersten
Schritt gegangen sind, auf Gott zu hören und sein Wort auf sich zu
beziehen. Das Faszinierende ist, dass Jesus uns nicht
in Abhängigkeit von sich, dem Meister halten will, sondern uns
mündig machen will. Indem wir von ihm lernen, können
wir teilhaben an dem was er ist: „Jeder, der alles gelernt hat, wird
wie sein Meister sein."
- Jesus ist Realist. Er weiß darum, dass die Nachfolge ein Prozess
ist, der das ganze Leben umfasst. Vor allem kann uns so
leicht wieder verloren gehen, was wir vielleicht schon einmal hatten. Er
steuert daher gezielt auf einen Punkt zu, der für
ihn so zentral ist, dass er uns mit dem massiven „Du Heuchler!"
aufrütteln will. Selbstgerechtigkeit gegenüber anderen,
dem Bruder oder der Schwester, die mit mir Jesu Jünger sind, ist der Tod
des Glaubens. Was ich durch die Nähe zu Jesus
an Offenheit gewonnen habe, kann so schnell wieder verloren gehen. Wie
schnell wird aus der Liebe, mit der ich versuche
Jesus nachzufolgen, ein Hochmut, mit dem ich auf andere herunter schaue.
Der Balken im eigenen Auge und der Splitter
im Auge des anderen sind Bilder für eine Wahrnehmung, die nicht stimmt.
Es sind Bilder für einen Menschen, der sich in
der Wirklichkeit nicht mehr zurecht findet.
3. Früchte
- Die ganze Predigt am Berg, dieses 6. Kapitel bei Lukas, will uns
als Menschen verändern, indem Jesus uns in die Nähe
Gottes holt. Jesus begnügt sich nicht mit wohlfeiler Weisheit und
moralinsauren Ermahnungen. Jesus will die Wirklichkeit
von Menschen verändern - durch Glauben. Das wird so deutlich an dem
Abschnitt des heutigen Evangeliums. An Gott
glauben wir nicht in der Weise, wie wir daran glauben, dass es den
BSE-Erreger gibt oder ein fernes Sonnensystem. Der
Glaube fügt unserem Wissen nicht eine Tatsache hinzu. Gott ist nicht ein
zusätzlicher Gegenstand. Glaube bedeutet, sich
von der Wirklichkeit Gottes verändern zu lassen, zu sehen und zu hören. „Ihr,
die ihr mir zuhört", hatte Jesus diesen
Abschnitt seiner Predigt begonnen. Jesus spricht uns an, deren Glauben
darin beginnt, dass wir ihm zuhören, auch wo er
uns Unangenehmes sagt.
- Das Hören führt zum Sehen, und das Sehen führt zum Sein. Im Hören
auf das, was Jesus sagt, besteht die Chance, dass
wir aufmerksam werden auf die Balken in unserem Auge. Die Balken der
Betriebsblindheit, die Balken des Hochmuts, die
Balken des Kleinmuts, die Balken des Egoismus. Dem Evangelium zuhören,
weil es Gute Botschaft Gottes ist, ist der
erste Schritt. Er führt zum Sehen der Wirklichkeit Gottes. Es führt zum
Sehen der Weise wie Gott ist. Es führt dazu, dass
wir in Jesus einen „Meister" haben, dem nachzufolgen uns ihm
ähnlich macht. So führt das Sehen zum Sein. Das Sein
aber ist entscheidend dafür, ob das Leben gelingt, denn nur ein guter
Baum bringt gute Früchte. Nur ein Mensch, der sich
in seinem Innersten verwandeln lässt, kann Frucht bringen. Die harte
Rede Jesu will uns auf diesen Weg bringen.
- Mit dem heutigen Sonntag brechen wir die Reihe der Sonntage im
Jahreskreis ab. Es folgen die Sonntage der Fastenzeit
oder der Osterzeit. Erst nach Pfingsten wird wieder kontinuierlich aus
dem Lukasevangelium Sonntag für Sonntag
gelesen. Daher will ich jetzt das Ende der Predigt nachtragen, die Jesus
am Berg gehalten hat. Dieser Abschluss ist die
beste Erläuterung dafür, dass Jesus uns nicht sinnlos beschimpfen will,
sondern unser Leben verändern will, damit es
gelingt:
Ich will euch zeigen, wem ein Mensch
gleicht, der zu mir kommt und meine Worte hört und
danach handelt. Er ist wie ein Mann, der ein Haus baute und dabei die
Erde tief aushob und das
Fundament auf einen Felsen stellte. Als nun ein Hochwasser kam und die
Flutwelle gegen das Haus
prallte, konnte sie es nicht erschüttern, weil es gut gebaut war. Wer
aber hört und nicht danach
handelt, ist wie ein Mann, der sein Haus ohne Fundament auf die Erde
baute. Die Flutwelle prallte
dagegen, das Haus stürzte sofort in sich zusammen und wurde völlig
zerstört. (Lk 6,47-49)