Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum Dreifaltigkeits-Sonntag im Lesejahr A 2008

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18. Mai 2008 - Universitätsgottesdienst St. Antonius, Frankfurt

1. Herab und Herunter

  • Herabgekommen oder Heruntergekommen macht einen Unterschied. Versucht nicht, es einem Ausländer zu erklären. Mit 'Herabgekommen' assoziiert die deutsche Sprache einfach die Bewegung von oben nach unten. Heruntergekommen hingegen hat den Beiklang des Schäbigen: Jemand, der einstmals einen gewissen sozialen Status hatte, ist heruntergekommen - man wird ihn tunlichst meiden oder ihm nur im Gestus des Helfers begegnen.
  • Gott ist herabgekommen. Und heruntergekommen. Das ist der Glaube der Christen. Das eine ohne das andere wäre unerträglich. Ein Gott, der einfach nur heruntergekommen ist, ist es nicht wert, dass man sich um ihn kümmert: es bliebe nur nostalgische Erinnerung an einstmalige Größe. Einen Gott der einfach nur herabgekommen ist, sollte man besser aus dem Weg gehen: er würde uns in seiner göttlichen Größe erdrücken.
  • Wir aber glauben und vertrauen, dass Gott zu uns herabgekommen ist, nicht uns machtvoll zu imponieren, sondern uns liebevoll zu dienen. Das 'Heruntergekommen' ist die Außenseite des Herabgekommenen. Er wird unter die Verbrecher gerechnet. Man verzeiht ihm nicht, dass er nicht bleibt in unnahbarer Ferne, ebenso anbetungswürdig wie ungefährlich. Er erscheint "vor den Augen der Welt" wie ein Heruntergekommener - und kann gerade deswegen im Glauben erkannt werden als der Herabgekommene.

2. Innen und Außen

  • Am Dreifaltigkeitssonntag feiern wir, dass Gott so ist, wie er sich zeigt. So könnte man den Gehalt des Festes knapp zusammenfassen. Anders formuliert: Gott offenbart uns nicht etwas, sondern sich selbst. Deswegen geht der ganze Streit etwa um den Offenbarungscharakter des biblischen Schöpfungsberichtes am Kern vorbei. Gott ist für uns nicht Mitteilungsquelle beliebiger Inhalte. Leute, die meinen Gott habe durch Jesus vor allem oder nur die hilfreiche Information offenbart, dass wir den Nächsten lieben sollen, sind dem Islam näher, als dem christlichen Glauben. Juden wie Christen glauben vielmehr, dass Gott sich selbst in der Geschichte in der Begegnung mit seinem Volk mitteilt: Gott offenbart sein Innerstes.
  • Bei uns Menschen ist das Verhältnis von Innen und Außen immer gebrochen. Wir zeigen uns nach Außen nie einfach so, wie wir innerlich sind - schon allein deswegen, weil wir uns innerlich selbst gar nicht so genau kennen (wollen). Zudem dient uns das Außen immer auch als Fläche, auf der wir die Wunschvorstellungen von uns selbst projizieren - oder auch daran immer wieder scheitern.
  • Juden bekennen den Namen Gottes. Der Name Gottes ist seine Gegenwart, der "Ich bin da". Christen glauben daran, dass in der irdischen Biographie Jesu sich gezeigt und erfüllt hat, was damit gemeint ist. Deswegen kann im Evangelium Jesus sagen: "Wer an ihn glaubt, wird nicht gerichtet; wer nicht glaubt, ist schon gerichtet, weil er an den Namen des einzigen Sohnes Gottes nicht geglaubt hat." In der Annahme oder Ablehnung richten wir Menschen uns selbst. Wir entscheiden uns, ob wir Gott annehmen oder nicht. Denn Gott ist so, wie er sich in Jesus gezeigt hat. Als der Herabgekommene, der als Heruntergekommener erscheint.

3. Allein oder Zusammen

  • Es ist leicht an die Gegenwart Gottes zu glauben, wenn dieser hochgewachsen, blond und blauäugig über die Gauen Galiläas wandelt, Kranke heilt, Brot vermehrt und von Harmonie und Nächstenliebe säuselt, als sei er die Reinkarnation des Dalai Lama. Da hüpft das goethesche Herz und schwillt die schillersche Brust, Millionen werden umschlungen zum großen Freudenbunde. Gott ist herrlich, Liebe, Harmonie und Versöhnung - wer will da abseits stehen, dies zu glauben!
  • Wer aber kann einer Sekte glauben, deren Gründer der Inbegriff des Scheiterns ist. Was soll das für eine Religion sein, bei der nahezu das gesamte Führungspersonal rechtmäßig verurteilt, exiliert, in den Knast gesteckt oder gar hingerichtet wurde? Wer kann glauben, was diese sagen, dass Gott, der Allherrscher, der Gekreuzigte ist, der von allen Verlassene, der in den Tod Hinabgestiegene? Als göttliches Theater, uns aufzurütteln vorgeführt, mag das angehen. Aber dass Gott so sei, wie er hier erscheint. Dass das biblische "Ich bin der: Ich bin da" so und nicht anders aussieht - wer mag das glauben, außer Menschen, die von eben diesem Gott erfüllt sind.
  • Paulus spricht von der "Gemeinschaft des Heiligen Geistes". Er meint damit die Gemeinschaft mit dem Herabgekommenen Gott und die Gemeinschaft derer, die von seines Geistes Gegenwart so erfüllt sind, dass sie sich abseits der Millionen stellen um dieser Gemeinschaft willen. Der Heilige Geist ist uns Gottes Gegenwart. Das "Ich bin da" gilt ganz konkret, wo Menschen zusammen kommen (und nicht nur daheim fromm beten), weil sie sich zu dem bekennen, der Herabgekommen ist. Dieser Gott ist da, wo der Glaube an den Herabgekommenen das Leben verändert: und wir in den nach menschlichen Maßstäben Heruntergekommenen nicht mehr das Scheitern sehen, sondern die eigentliche Herausforderung der Liebe. Amen.