Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum Hochfest Fronleichnam, Lesejahr A 2023

Zurück zur Übersicht von: Fronleichnam (A/B/C)

8. Juni 2023 - St. Sebastainus, Sinzig-Bad Bodendorf

1. Nahrungsergänzungsmittel

  • "Maximieren Sie die Vitalität Ihrer Körperzellen mit Nährstoffen.  Verbessern Sie damit die  Voraussetzung für ein robustes Immunsystem, für mehr Energie, Ausdauer und Konzentration, für ein gut funktionierendes Herz-Kreislaufsystem, für gesunde Haut, Haare, Nägel und für einen intakten Hormonhaushalt." Zu diesem Versprechen hat mich Google geführt, als ich nach dem Stichwort "Nahrungsergänzungsmittel" gesucht habe.
  • Wäre das nicht eine sinnvolle Aktualisierung des Evangeliums. Wer mag schon Sätze hören wie "Wenn ihr das Fleisch des Menschensohnes nicht esst und sein Blut nicht trinkt, habt ihr das Leben nicht in euch"? Vegetarier fühlen sich da ohnehin ausgeschlossen und auch jene, die gerne ein Rippchen auf den Grill legen, werden durch solche Sätze, wie wir sie von Jesus im Johannesevangelium finden abgeschreckt: "Wenn ihr das Fleisch des Menschensohnes nicht esst …". Also läge doch eine zeitgemäße Anpassung nahe.
  • Allerdings macht das Johannesevangelium völlig klar, dass der Satz auch damals nicht zeitgemäß war, sondern Kopfschütteln oder Ablehnung hervorgerufen hat. Nicht nur der kannibalische Satz von seinem Fleisch, das Jesus zu essen geben will, sondern besonders der Satz vom Blut war skandalös – denn Blut ist der Sitz des Lebens und ist deswegen für fromme Juden – wie heute ebenso Muslime – tabu. Fromme Juden werden darüber hinaus sehr genau gehört haben, dass Jesus auf das Alte Testament anspielt – Gott selbst hatte sein Volk Israel auf dem Weg durch die Wüste gespeist. Und jetzt kommt dieser her und sagt: diese Speise bin ich, mein Leib.

2.  Erschüttertes Zuhören

  • Wenn das schon damals so anstößig war, wäre Jesus wohl nicht auf meinen Vorschlag eingegangen, sich abgemildert als Nahrungsergänzungsmittel zu präsentieren, wohltuend für ein ausgeglichenes Leben.
  • Offensichtlich ist hier ein Punkt, bei dem es für Jesus geradezu entscheidend ist, dass wir Anstoß nehmen. Es braucht offenbar ein "erschüttertes Zuhören", eine Verunsicherung des Nicht-Verstehens, den Stoß vor den Kopf, um zu verstehen. Jesus riskiert bei diesem Thema eher, Menschen vor den Kopf zu stoßen, als dass Menschen mit verständnisvollem Lächeln nicken und "ja, ja" sagen.
  • Jesus damals wie auch für die Gemeinde, in der das Johannesevangelium gelesen und verkündet wird, ist nicht ein mild.wohltuendes Nahrungsergänzungsmittel und nicht ein netter Mensch, der als Vorbild taugt. Er ist der Ort der Gegenwart Gottes für uns. Wer sich auf den Weg des Glaubens eingelassen hat, wird Gott nur erfahren, wenn er sich auf Jesus, den Christus einlässt – und das eben nicht halb und beiläufig, nicht als Ergänzung zu einem ansonsten auch ganz netten Leben, sondern als die zentrale 'Speise'.

3. Personale Realpräsenz

  • Der evangelisch-lutherische Theologe Ulrich Wilckens hat ein Wort dafür vorgeschlagen: "Personale Realpräsenz" (Theologie des Neuen Testamentes, 2009, II/2 S. 70). Realpräsenz ist der gängige Fachausdruck bei Katholiken um zu sagen: In dem Brot, das wir zum Gedächtnis Jesu brechen und über das wir Gottes Geist in der Hl. Messe herabrufen ist Christus real, nicht nur irgendwie symbolisch gegenwärtig. Daran hält auch Martin Luther im Gegensatz zum evangelisch-reformierten Christentum fest. Wie auch immer wir das Brot, das wir sehen und schmecken, und die Gegenwart Christi, die es real ist,  genau zusammen gedacht werden: das ist ganz offensichtlich das, was Jesus den Seinen zugemutet hat. Reale Präsenz, reale Gegenwart.
  • Wilckens erinnert uns Katholiken daran, dass diese Präsenz eben nicht ein Ding ist, sondern eine Person. Christus, der Menschensohn, gibt uns seinen Leib und sein Blut. Es ist "Personale Realpräsenz". Das Brot, das wir heute in einer feierlichen Prozession durch unsere Straßen tragen, ist kein "Ding". Es ist der lebendige Christus, Mitte der Kirche. Wir sollten uns daher zurückhalten. Wir muten unseren Mitbürgern nicht nur ein liebenswert-schräges Ritual und reichlich verstaubte Lieder zu, die wir trotzig singen. Wir muten ihnen unseren Glauben zu. Gott ist personal unter uns.
  • Allerdings sollten wir uns diesen Glauben auch selbst zumuten. Denn angesichts der Personale Realpräsenz Christi sind wir selbst als Christen meist nicht allzu personal präsent. Es ist mein Glaube und mein Christsein, das mit dem  Nahrungsergänzungsmittel besser zusammenpasst als mit dem lebendigen, gegenwärtigen, real präsenten Gott. Aber wie es öfters mit den wirklich wichtigen Dingen im Leben ist: Es lohnt, sich selbst und sich gegenseitige daran zu erinnern, um wie viel größer all das ist, als das, was ich meine und mache. Letztlich ist nämlich nur eines real präsent: echte, tiefe, respektvolle, sich hingebende Liebe. "Wer dieses Brot isst, wird leben in Ewigkeit. "