Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zur Gold-Hochzeit 21. August 1999 - Röm 8,18-39 - Seufzen in der Liebe

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21. August 1999 - St. Cyriakus, Habitzheim

1.

  • Jesus schickt die Menschen, die zu ihm gekommen sind, nicht müde und entkräftet weg.
    Die Speisung der viertausend Männer - dazu noch Frauen und Kinder - ist ein Zeichen. Jesus selbst deutet es: es ist ein Zeichen der Ermutigung gegenüber der Sorge.
  • Jesus selbst sorgt sich ja, wenn er sich fragt, wie diese vielen Menschen heil nach hause kommen sollen. Aber diese Sorge nimmt nicht überhand, sie lässt nicht verzweifeln, sie entmutigt nicht.
  • Diese Sorge ist, was sie ist, und nicht mehr. Und diese Sorge um die Menschen lässt selbst noch einen Überschuss: Die Körbe sind sieben an der Zahl: die heilige Zahl, das Heilige, das mitten in der Welt sichtbar wird, nicht dass die Sorge ignoriert wird, sondern dass sie nicht das Übergewicht bekommt.

2.

  • Seufzen ist ein Privileg des Alters. Genauerhin: Der Weisheit des Alters sei das Seufzen gestattet, denn Seufzen ist - wohlverstanden - nichts anderes als Wissen um den Zustand der Welt. Es geht also nicht um klagen und jammern, sondern um jenes Seufzen, das keine Worte braucht, sondern ein Laut ist, der sich den Weg über die Lippen sucht, wenn anderes schon gesagt ist. Jammern und Klagen ist etwas Unerträgliches oder doch nur im wohlgesetzten Rahmen Erträgliches. Dann jedoch soll es damit seine Ruhe haben. Seufzen dagegen ist die unaufdringliche Weisheit, das einfache Wissen darum, dass bei aller Schönheit der Welt alles auch seine Schattenseiten hat.
  • Ich komme auf das Thema Seufzen aus keinem anderen Anlass als deswegen, weil es in der von den Eltern ausgesuchten Lesung aus dem Römerbrief so ausführlich vorkommt wie nirgends sonst im Neuen Testament. Paulus spricht dort gar nicht nur von unserem Seufzen - dem Seufzen der Weisheit -, sondern davon, dass die ganze Schöpfung seufzt und gar der Heilige Geist selbst das Seufzen vor Gott bringt, weil es für uns so unaussprechlich ist.
    Es ist uns also nicht nur erlaubt zu seufzen, es ist uns ganz und gar angemessen. Aber eben zu seufzen, nicht zu klagen und zu jammern.
    Der Unterschied besteht in der Blickrichtung. Das einzige Mal, dass von Jesus berichtet wird, dass er seufzt, ist bei der Heilung des Taubstummen. Da blickt Jesus zum Himmel und seufzt, bevor er heilt. So ist auch das Seufzen der Christen kein Jammern und Wehklagen, sondern ein Blick darauf, was uns verheißen ist, und was noch aussteht. Seufzen ist also so etwas wie das tiefe Durchatmen beim Gipfelklettern, wenn wir schon unterwegs sind, aber doch sehen, dass noch einiger Weg vor uns liegt.
  • Die Schöpfung, sagt Paulus, seufzt und wartet auf das Offenbarwerden der Kinder (Söhne = Erben) Gottes. Selbst die Schöpfung klagt und ächzt also nicht, sondern atmet tief durch angesichts des Weges, der noch vor uns liegt.
    Aber sollen und dürfen wir Christen seufzen, wenn wir doch getauft sind und damit eigentlich schon so recht Kinder Gottes sind? Ja "auch wir, obwohl wir als Erstlingsgabe den Geist haben, seufzen in unserem Herzen und warten darauf, dass wir mit der Erlösung unseres Leibes als Erben offenbar werden." Eben gerade weil wir als Getaufte nicht abgehoben, sondern mitten in der Welt leben, spüren wir am eigenen Leib, dass das Werk Gottes auf dieser Welt nicht vollendet ist, so sehr wir daran glauben, dass es begonnen hat. (nota bene: Der Hebräerbrief vermerkt nur für die Gemeindeleiter, dass sie nicht wegen des Ungehorsams der Gemeinde seufzen mögen, und empfiehlt daher Gehorsam!)

3.

  • Und jetzt dringt doch das andere überwältigend in den Vordergrund: Berufen sind wir, nicht zu seufzen, sondern zu jubeln. Seufzen mag erlaubt sein im Hinblick auf die Alte Welt. Im Hinblick auf die Neue aber erst bekommt es sein angemessen geringes Gewicht. Das Tragende ist nicht das Seufzen, sondern die Zusage Gottes: ein neuer Himmel und eine neue Erde haben in dieser Zusage schon begonnen. Davon zeugt die Brotvermehrung: Von Gott her gibt es eine Welt, in der man nicht ängstlich und kleinmütig die letzten paar Brote und Fische zurückhalten muss, in ständigen Klagen und Jammern um die Begrenztheit der Welt. Jesus nimmt diese paar Brote und diese paar Fische, spricht den Bundesspruch und gibt sie den Jüngern, die sie an die Leute verteilen. Das Fest, das mit dieser Gabe gefeiert wird, sagt alles aus über die Hoffnung, die uns erfüllt.
  • "Was kann uns scheiden von der Liebe Christi?" Worüber lohnt es sich zu jammern und zu klagen? Hat Gott uns nicht seine Zusage gegeben. Mehr noch, hat er uns nicht von seinem Leben gegeben, das er mit uns geteilt hat? Gibt er nicht von diesem Leben in jeder Eucharistie?
    Seit fünfzig Jahren hat Gott über all das hinaus sich noch etwas besonderes einfallen lassen: Er hat uns ein getreuliches Bild seines Bundes, seiner Zusage gegeben. Das genau ist das Sakrament der Ehe. Der Bund zwischen zwei Menschen wird von Gott ausgesucht und geheiligt als ein Zeichen des Bundes zwischen Gott und den Menschen. Es gibt also mehr als unsern alten Adam, der uns Anlass zum Seufzen gibt. Nicht aus eigenem Wagemut, sondern im Vertrauen auf die Sakramente können wir sagen, dass Gottes Segen und Bund hier auf dieser Welt sichtbar und spürbar wird durch die Menschen.
  • Jesus hat den Jüngern das Brot anvertraut, dass sie es weitergeben: und siehe es wird zum Segen für diese gewaltige Menge! Gott hat den Bund, den unsere Eltern und Großeltern vor 50 Jahren miteinander geschlossen haben, als Sakrament geheiligt und als Zeichen seiner Zusage an uns sichtbar zum Segen werden lassen. Daran mitzuwirken ist die Freude der Menschen; es gibt nichts schöneres. Für dieses Geschenk dankbar zu sein, fällt nicht schwer: dankbar Gott und den beiden Menschen, die uns seinen Segen weitergegeben haben.