Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum Fest Herz Jesu C 2016 (Lukas)

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3. Juni 2016 - Kleiner Michel (St. Ansgar), Hamburg

Postkarte Herz Jesu Fest Kleiner Michel Hamburg1. Freude

  • Weniges erzählt uns so viel über einen Menschen, wie wenn wir erleben, worüber er sich freut. Natürlich ist auch wichtig, was schmerzt. Aber die feinere Emotion, die letztlich tiefer in das Herz eines Menschen schauen lässt, ist die Freude. Denn je nachdem wird hier sichtbar, ob ein Mensch nur bei sich selbst ist oder ob er an der Freude über sich selbst hinauswächst, größer wird, ja, heiliger.
  • Für Jesus ist klar: Bei Gott ist dann die Freude am größten, wenn ein Mensch, der verloren war, wieder gefunden wird. "Ich sage euch: Ebenso wird auch im Himmel mehr Freude herrschen über einen einzigen Sünder, der umkehrt, als über neunundneunzig Gerechte, die es nicht nötig haben umzukehren." Wenn es Gott um größtmögliche Anbetung ginge - die neunundneunzig übersteigen sogar die Prozentzahlen, die Autokraten für ein angemessenes Wahlergebnis hielten.
  • Gott hingegen, so die Botschaft des Evangeliums, sieht den Einzelnen. Jenseits aller Berechnung zählt für Gott, dass kein Mensch das Ziel seines Lebens verpasst, kein Mensch den Sinn seiner Existenz verliert, kein Mensch in der Einsamkeit der Schuld hängen bleibt. Nicht um sich selbst geht es Gott, sondern um den Menschen. Wir nennen das Gottes Barmherzigkeit.

2. Verletzlich

  • Das Bild des geöffneten Herzens Jesu zeigt vor allem eines: Ein geöffnetes Herz. Das Wort "offenherzig" deutet es nur an. Denn es bedeutet im Deutschen, dass jemand seine Gedanken und Gefühle nicht verbirgt. Offenherzig tritt jemand vor allem dort hervor, wo andere sich verstellen würden, um sich in ihrer Verletzlichkeit zu schützen.
  • Das Herz Jesu ist deswegen nicht einfach nur ein Bild der barmherzig sich zum Menschen herabbeugenden Liebe Gottes. Das auch. Die ganze Bibel des Alten wie des neuen Testament weiß um diese gnädige Barmherzigkeit Gottes.
  • Das Herz Jesu aber hebt darüber hinaus das Geheimnis des Dreifaltigen ins Bild, dass Gott sich verletzbar, angreifbar macht, in dem Augenblick, in dem er sich in dem Menschen Jesus von Nazareth offenbart. Das Kreuz wird erst möglich, als Gott sich verletzlich zeigt. Da ist die Grenze unseres Verstehens erreicht, wie es sein kann, dass der selbe Gott, der Herr des Himmels und der Erde ist, sein Herz durchbohren lassen kann - nicht metaphorisch, sondern real.

3. Rettend

  • Offenherzig allein vermag die Liebe zu retten. Menschen, die sich gnädig zu anderen herunter beugen und ihnen Gutes tun, gibt es viele. Sie mögen damit Gutes tun. Das soll nicht klein geredet werden. Es ist wertvoll.
    Dennoch geht Gott einen Schritt weiter. Der Römerbrief deutet das an, wenn Paulus schreibt, "dass Christus für uns gestorben ist, als wir noch Sünder waren". Denn das bedeutet doch, dass Gott in Christus das Gericht zurückstellt, um zuerst den Menschen zu sehen. Nicht der Richter tritt uns in Christus entgegen, sondern Gott, der sich unter die Sünder zählen lässt, er, der allein ohne Sünde ist. Darin ist Gott so wehrlos, weil sich diese Liebe nicht dagegen wehren kann, ausgenutzt, verleumdet, verspottet, missverstanden, verklärt oder verachtet zu werden. Aber genau dadurch schafft sie dem Sünder den Freiraum, er selbst zu sein - ohne die Sünde.
  • Nirgendwo sind wir so verletzlich, als dort, wo unsere tiefste Sehnsucht ist. Wenn der Feind in uns wüsste, was uns der tiefste Grund der Freude ist, würde er dort zuschlagen. Anderen die Freude verderben ist daher besonders infam und verletzend. Das hat die tiefste Freude mit dem Herz-Jesu-Bild gemeinsam. Denn die Andacht zu diesem Bild kann sich kaum schützen gegen den Spott.
  • Es ist für mich vielleicht die größte Freude, es diesem Jesus gleich machen zu können. Die Momente, in denen es mir gelingt, alles Schützende abzulegen und mein Herz offen zu legen, sind ganz nahe den Momenten des Glücks, in denen ich anderen Menschen nahe sein darf, und sie mir. Wenn Gott mit hilft offenherzig zu sein, dann dadurch, dass er mir so lange nachgeht, bis er mich in den verborgenen Winkeln, in die ich mich verrannt habe, findet. Wenn Gott mich rettet, dann dadurch, dass er mir hilft, dieses kleine Stück offenherziger zu sein, im Vertrauen darauf, dass das geöffnet Herz Jesu diesen Gott zwar verletzlich gemacht, nicht aber seine Liebe besiegt hat. Im Gegenteil. Amen.