Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt für Schülerinnen und Schüler 6. Klassen, 10. Februar 2022: Sich im Spiegel der Liebe Gottes sehen

Zurück zur Übersicht von: Schülerpredigten

10. Februar 2022 - Aloisiuskolleg Bonn-Bad Godesberg

1.

  • Was hat Nathanael unter dem Feigenbaum gemacht? Ich habe mir im Internet Bilder angesehen: Der Baum ist gut geeignet, um darunterzusitzen. Aber was hat Nathanael dort gemacht?
  • Das Johannes-Evangelium erzählt diese Episode. Phillipus hatte Jesus kennengelernt und sich für ihn begeistert. Jetzt trifft er auf seinen Freund Nathanael und erzählt ihm, Jesus von Nazareth sei der, auf den das ganze Volk Israel immer schon gewartet hat, der Messias. Aber, Nathanael spottet nur. Aus dem müden Kaff Nazareth kann ja wohl nix Besonderes kommen. Doch er geht mit. Philippus bringt ihn zu Jesus. Und der begrüßt ihn mit einem dicken Kompliment: Da kommt ein aufrichtiger Mensch, sagt Jesus, der sich nicht mit Lügen rumdrückt sondern ohne Falsch ist. Woher, fragt Nathanael, kennst du mich? Und da sagt Jesus, er habe ihn schon unter dem Feigenbaum gesehen.
  • Wir erfahren nicht, was Jesus da gesehen hat. Was hat Natanael unter dem Feigenbaum gemacht? Irgendetwas ganz Besonderes muss es sein, denn die Reaktion von Nathanael ist heftig. Eben noch gezweifelt, bringt er jetzt das ganz große Bekenntnis: Jesus, du bist der Sohn Gottes und der König von Israel. Das spottet Jesus doch ein wenig. Wenn Natanael schon dadurch zum Glauben kommt, dass Jesus ihn unter dem Feigenbaum gesehen hat, dann wird Jesus schon noch ein wenig nachlegen, denn er ist wirklich der Sohn Gottes und wo er ist, ist Gott und sein Himmel für Menschen erfahrbar.
  • Trotzdem bleibt meine Frage, was um alles in der Welt ist unter dem Feigenbaum geschehen?

 2.

  • Ich kann mir vorstellen, dass Nathanael einfach nur unter dem Feigenbaum gesessen hat. Vielleicht Stunden, vielleicht eine ganze Nacht. Ich stelle mir vor, dass er vielleicht zum ersten Mal in seinem Leben richtig über sich selbst nachgedacht hat. Irgendetwas war passiert. Entweder hat er gerade einen Sechser im Lotto gewonnen oder er hat gerade alles verloren. Entweder er ist gerade durch eine Prüfung gerasselt, die für ihn ganz wichtig war, oder ein geliebter Mensch ist gestorben. Das sind die Augenblicke, die dazu geeignet sind, dass wir in den Spiegel schauen und uns fragen: Wer bin ich eigentlich und wo will ich hin mit meinem Leben?
  • Meditation (mit Musik)
  • Blick in den Spiegel am Morgen: Was sehe nur ich? 
  • Blick in den Spiegel auf der Schultoilette: Was sollen die anderen sehen? Was dürfen sie auf keinen Fall sehen? 
  • Wenn ich an den "Spiegel der Wünsche" (Harry Potter) sehen könnte, was würde er zeigen?
  • Karneval: Wie möchte ich gern gesehen werden? Womit würde ich gern schockieren? Welche Seiten von mir will ich zeigen? 
  • Blick Gottes: Vertraue ich ihm, dass er die guten Seiten in mir noch mehr zum Leuchten bringt und dass er die dunklen Seiten neu ins Licht rückt?
  • das „Ich-vergleiche-mich-mit anderen-Spieglein, Spieglein an der Wand“.

3.

  • In welchen Spiegel Nathanael unter dem Feigenbaum gesehen hat, werden wir nie erfahren. Die Bibel lässt gerne in ihren Erzählungen solche Lücken, weil es so wichtig ist, dass wir an dieser Stelle unser eigenes Leben hineinschreiben.
  • Nathanael jedenfalls hat in dem Augenblick, als Jesus ihm gesagt hat:Unter dem Feigenbaum habe ich dich gesehen, gemerkt dass Gott ihn nicht allein lässt. Gott hat ihn in diesem Augenblick, als er in den tiefen Spiegel geschaut hat, gesehen. Und das ist eine schöne Erfahrung, weil Gott mich mit viel mehr Liebe anschaut, als ich mich selbst oft sehe. Wir selbst sind oft unsere besten Kritiker. So ganz und gar liebevoll wie Gott sieht uns kein Mensch an.
  • Deswegen ist es auch umgekehrt möglich, dass ich damit beginne mich von Gott ansehen zu lassen. Wenn ich dann verstehe und spüre, mit wieviel Liebe mich Gott trägt, gibt es mir die Kraft und den Mut, in den Spiegel zu schauen und mich selbst zu sehen. Nicht alles, was ich da sehe muss mir gefallen. Manches will ich wirklich vielleicht dringend ändern. Aber nichts von dem kann mich zerstören oder zu Boden drücken, denn da ist der liebevolle Blick von Gott viel größer. So ist es wohl den Nathanael ergangen. Und ja, noch viel Größeres hat er später erlebt, als er mit Jesus mitgegangen ist.