Predigt zu Weihnachten in der Nacht 2009
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24.12.2009 - Kleiner Michel Hamburg
1.
Vorspann
- Ein Vorspann
kann richtig gut sein. Es gibt Filme, bei denen im Vorspann schon alles drin
ist, und trotzdem noch nichts vom Film selbst verraten wird. Da sind kurze
Andeutungen, da ist eine charakteristische Atmosphäre, die Musik stimmt
wie eine Ouvertüre ein.
- So einen Vorspann hat Lukas vor sein Evangelium
gesetzt. So ein Vorspann ist Weihnachten. Alles ist schon angedeutet und zu
ahnen. Trotzdem wird das Eigentliche nicht verraten. Weihnachten ist noch
nicht die ganze Geschichte. Aber in diesem Vorspann ist mit vielen Andeutungen
schon alles enthalten.
- Es lohnt sich, auf den Vorspann zu achten.
Es hilft, das Eigentliche zu sehen. Die Aufmerksamkeit wird konzentriert auf
das Wesentliche. Oft merkt man erst nach dem Film, wie präzise und gut
der Vorspann war. Lukas zumindest hat das im Vorspann zu seinem Evangelium
hervorragend gemacht.
2. Betlehem
- Den Kaiser in Rom trennen viele Tagesreisen
von Betlehem. Und doch ist er präsent. Die Geschichte Jesu steht schon
bei der Geburt unter dem Anspruch des Kaisers, alles unter seine Kontrolle
zu bringen. Josef fügt sich in die kaiserliche Anordnung. Jesus wird
nicht eine Oppositionspartei unter anderen gründen. Und doch klingeln
jedem die Ohren, wenn er hört, dass diese Geburt in Betlehem stattfindet,
der Stadt aus der der König hervorgehen soll. Dieser König wird
einmal das ganze heidnische Kaisertum zum Einsturz bringen. Paradoxerweise
ist der Kaiser mit seiner Volkszählung schon im Vorspann dabei.
- Vor dem Horizont der Weltgeschichte beginnt
aber eine ganz intime Geschichte. Ein Kind wird geboren, das in den Herbergen
keinen Platz findet. Treffender hätte in der Schilderung der Geburt kein
anderer Vorspann das Leben Jesu andeuten können - und seinen Tod. Denn
er wird doppelt heimatlos sein: seine Botschaft vom nahen Gottesreich wird
ihn rastlos umherziehen lassen, um Menschen für dieses große Projekt
Gottes zu gewinnen. Aber er wird auch viel Ablehnung erfahren, nicht zuletzt
in seiner Heimatstadt Nazareth. Das Ende wird vor den Toren Jerusalems sein;
der Anfang vor den Toren Betlehems verweist darauf.
- Und doch ist die Stimmung nicht deprimiert.
Trotz all der Umstände beginnt hier eine frohe Botschaft! Auf dem freien
Feld lagern Hirten bei ihren Herden. Sie hören die Engel und den Jubelgesang.
Denn das Geschehen im Stall verbindet sich mit einer Botschaft, die von Gottes
Herrlichkeit umglänzt ist: Eine Freude, die nicht einigen wenigen, sondern
dem ganzen Volk Gottes zuteil wird. Das Heil, die Rettung, der wahre König
und einzige Sohn des himmlischen Vaters wurde geboren und wurde, wie ein jedes
Menschenkind, in Windeln gewickelt. Es findet sich an der Seite der Armen;
in einem Futtertrog wird das Heil der Welt geboren. Von hier wird Gottes Geschichte
unter den Menschen ihren Lauf nehmen.
3. Hauptfilm
- Der Vorspann zum Evangelium hat noch einen
weiteren Effekt. Wir können ihn unserem eigenen Leben zu Grunde legen.
Wir können von den Andeutungen im Weihnachtsevangelium unser eigenes
Leben deuten und die Melodie im Hintergrund hören, wenn wir auf den eigenen
Alltag schauen.
- Auch für uns ist der Kaiser fern.
Keiner von - vermutlich - uns sitzt in Berlin am Kabinettstisch. Dennoch
wirken sich heute mehr noch als damals die Erlasse von oben aus - auf
die Armen zuerst. Menschen werden erfasst, überwacht und gezählt.
Unzählige Anträge müssen ausgefüllt werden. Gerade
wer Hilfe nötig hat wird zur Nummer, wer krank ist, zum Kostenvorfall
seiner Versicherung, wer allein ist zur anonymen Adresse. Die Kaiser aber
beschränken sich vielfach darauf, neue Volkszählungen zu veranlassen.
- Christen tragen in dieser Republik vielfach
Verantwortung. In einer pluralen Gesellschaft sind auch Christen nicht
einer Meinung. Wir müssen um den besten Weg ringen; das ist unser
gesellschaftlicher Auftrag. Aber dennoch kann für uns alle die Botschaft
aus Betlehem ein Leitstern sein. Gegenüber aller menschlichen Herrschaft
und Notwendigkeit hat Gott seinen Anspruch kund gemacht. Im Flecken Betlehem,
unter denen am Rande, wurde deutlich, was Gottes Prioritäten sind.
Ihnen müssen sich alle stellen, die Verantwortung tragen.
- Das ist die frohe Botschaft für das
Volk. Auch wenn die Geschichte weiter geht, ist von nun an deutlich, dass
Gott selbst sich in sie einmischt. Wer am Rande steht, weiß Gott
an seiner Seite. Wer unter Menschen keine Herberge hat, weiß sich
eins mit dem Gotteskind. Wer auf der Flucht vor Unterdrückung, Umweltzerstörung
und Ausbeutung ist, der sieht den Gottessohn, der dieses Schicksal teilt.
- Das kann einen Grundton der Freude für
jeden von uns anstimmen. Denn jeder von uns sieht die Schattenseiten, auch
wer an Weihnachten das Glück hat, mit seiner Familie, mit guten Freunden
und in einer lebendigen Gemeinde zu feiern. Wir brauchen für unsere Weihnachtsfreude
die Not nicht auszublenden, sondern können hoffnungsvoll auf Gott schauen,
der sich der Not annimmt. Wir dürfen unbeschwert Weihnachten feiern,
weil wir darauf vertrauen, dass durch diese Nacht auch wir, jede und jeder
einzelne von uns, ein wenig mehr von Gott umfangen wird und seine Kraft empfängt
durch die Freude der Botschaft der Engel: "Heute ist euch in der Stadt
Davids der Retter geboren; er ist der Messias, der Herr."