Predigt zum 1. Fastensonntag Lesejahr C 1989
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11.02.1989 - Sankt Wendel, Frankfurt/Main
1. Versuchung
- Versuchungen kennen wir. Die Versuchung, nur an sich selbst zu denken. Die Versuchung den eigenen Willen
durchzusetzen. Die Versuchung den leichteren Weg zu gehen. Versuchungen gehören bei uns zum Alltag.
- Jesus kennt die Versuchung auch. Die Antwort auf die Versuchung wird für Jesus zur Entscheidung. In der Wüste
entscheidet sich Jesus für seinen Weg.
- Der Weg Jesu in die Wüste ist kein Irrweg. Der Evangelist betont sogar zweimal, dass es der Heilige Geist selbst ist, der
Jesus in die Wüste führt. Die Wüste ist der Ort, wo jede Ablenkung, jede Bequemlichkeit, jede Alltäglichkeit ihr Ende
findet. Die Wüste ist der Ort, an dem der Mensch mit sich und dem lieben Gott allein ist. Hierhin führt Gottes Geist Jesus.
2. Drei Versuchungen
- Versuchungen sind nicht immer leicht zu erkennen. Die drei Versuchungen in der Wüste sind die Ur-Versuchungen: Am
Wohlstand zu hängen, andere zu beherrschen und Gott zum Werkzeug meiner Interessen zu
- Der Versucher sagt zu Jesus: Wenn es stimmt, dass du der Gottes Sohn bist, so befiehl diesem Stein zu Brot zu
werden. Er fordert Jesus auf, seine Macht zu seinem eigenen Nutzen einzusetzen. Er soll Steine zu Brot
verwandeln, um seinen eigenen Hunger zu stillen. Die Versuchung, sich selbst der Nächste zu sein, sein eigen
Schäflein ins Trockene zu bringen. Dagegen setzt Jesus, das, was den Menschen ausmacht, Der Mensch lebt nicht
nur vom Brot: Jesus gibt sich selbst als Brot für die vielen. Darin, dass Jesus die Versuchung, zuerst für sich selbst
zu sorgen, ablehnt, zeigt er, dass er Gottes Sohn ist.
- Und die zweite Versuchung: All die Macht der Reiche dieser Welt will ich dir geben, wenn du dich vor mir
niederwirfst. In der Tat: Jesus ist gekommen, eine Herrschaft aufzurichten: das Reich Gottes unter den Menschen
zu begründen. Aber nicht, indem er die Menschen be-herrscht und unterdrückt, sondern als freies Angebot Gottes
an uns Menschen. Darin, dass Jesus diese Versuchung ablehnt, zeigt er, dass seine Sendung von Gott kommt.
- Die dritte Versuchung ist besonders heimtückisch: Der Versucher argumentiert mit der Bibel, Er sagt zu Jesus:
Stürze dich hier herunter, denn Gott hat versprochen, die Seinen zu behüten. Das klingt vielleicht überzeugend.
Aber Jesus antwortet auf diesen Vorschlag: Du sollst den Herrn, deinen Gott, nicht auf die Probe stellen. Denn der
Weg Jesu ist der Weg, das Leiden und den Tod anzunehmen, und sie so zu besiegen.
- Derselbe Vorschlag wird Jesus noch einmal gemacht: Am Kreuz. Dort fordern ihn die Spötter heraus: Wenn du der
Messias Gottes bist, hilf dir selbst. Doch Jesus widersteht auch dieser letzten Versuchung: Darin zeigt er, dass er nicht
gekommen ist, sich selbst zu helfen, sondern uns Menschen.
So zeigen die drei Versuchungen in der Wüste wie in einem Brennglas den Lebensweg Jesu. Und darin liegt die
Bedeutung dieser vierzig Tage in der Wüste. Jesus stellt sich in der Wüste offen dem Versucher und widersteht ihm. Der
Geist Gottes führt ihn in die Wüste und zeigt dort an Jesus seine Kraft.
3. Neuer Weg
- Es kann für unser Leben wichtig sein, zu wissen, dass unser Herr Jesus Christus den Versuchungen widersteht. - Aber
wir. Ich kenne viel eher die Situation, Versuchungen zu erliegen, Fehler und Sünden mit mir herumzuschleppen.
Selten sind die Momente, in denen mir - wie im Evangelium - das Böse klar und greifbar gegenübertritt. Viel eher
versteckt es sich in der Normalität des hektischen, gedankenlosen Alltags. Im alltäglichen Einerlei liegt die größere
Versuchung. Und die Entscheidung, in der wir uns unseren Fehlern stellen und unser Leben neu ausrichten unterbleibt.
Wir richten uns ein. Unser Leben kommt so oft nicht zur Entscheidung.
- - An Fehler kann man sich so gewöhnen. Wenn wir unsere alten Eltern im Haus haben, dann haben wir uns an eine
bestimmte Umgangsweise gewöhnt. "Die Alten" werden nicht so recht ernst genommen. Ich verliere schon mal die
Geduld. "Und wenn sie hier wohnen, sollen sie auch was tun". Ich merke wohl, dass die Art, wie ich mit ihnen
umgehe nicht stimmt. Aber ich habe mich daran gewöhnt.
Bis eines Tages ein guter Freund zu Gast ist. Und als er am späten Abend geht, sagt er mir beim Gehen: Du, Deine
Eltern sind reizende Leute. Warum behandelst Du sie eigentlich so widerwärtig. Und geht.
Das tut weh. Das tut weh, weil es stimmt.
- In diesem Augenblick ist der Teufel in mir nicht zu verstecken. Ja: Ich kann schnell fliehen, den Fernseher
anschalten, über den unverschämten Freund herziehen, der sich in meine Privatangelegenheit einmischt. Weil es so
schwer ist, "dem Teufel in mir" ins Gesicht zu schauen. Oder: Ich kann mich auch daran erinnern, dass der Geist
Gottes selbst es war, der Jesus in die Wüste geführt hat. Dass wir auf Gottes Kraft vertrauen können, wenn wir
uns dem Bösen, das in uns steckt stellen.
Und dann kann ich mir noch einmal einen Mantel anziehen und ein paar Runden um den Block drehen, und in mein
Herz schauen.
- Denn nur wenn ich die Schuld stelle, beim Namen nenne, nur dann kann ich versuchen, einen neuen Anfang zu
gehen. Wenn wir die Schuld einmal gesehen haben, wenn wir den inneren Schweinehund gerochen haben, dann
erkennen wir ihn auch wieder, wenn er sich im Alltag einschleichen will. Dann haben wir eine Chance gegen ihn.
Das wird nicht die heile Welt bringen. Aber ist das nicht schon viel, wenn es von Jesus heißt: Darauf ließ der
Teufel für eine gewisse Zeit von ihm ab?
- Ich glaube, so ist das Evangelium von den Versuchungen in der Wüste als frohe Botschaft zu verstehen: Wir dürfen in die
Wüste gehen, uns mit unserer eigenen Schuld beschäftigen, weil Gott uns hilft, einen neuen Weg zu gehen, uns zu
entscheiden, unser Leben zu retten.
Diese Hilfe Gottes, dass unser Leben nicht versandet in der Gewöhnung an die kleinen alltäglichen Fehler, sondern zur
Entscheidung kommt, diese Hilfe Gottes kommt in der Kirche zum Ausdruck: Die vierzig Tage der Fastenzeit sind eine
Gelegenheit, sich Zeit zu nehmen für einen Spaziergang oder eine stille Stunde allein daheim. Auch wenn es manchmal
verdammt schwer fällt, die Schuld im eigenen Leben anzuschauen. Auch wenn es schwerfällt in der Beichte oder in einem
Gespräch das laut zu sagen, was sich in unserem Herzen verbirgt. Aber weil Jesus den Versucher in der Wüste gestellt
hat, können auch wir es wagen. In der Kraft des Geistes Gottes. Amen.